Wenn die globale Erwärmung weiter zunimmt, werden extreme Wetterereignisse aufgrund des Klimawandels immer häufiger. Mit jedem Zehntelgrad mehr steigt das Risiko, dass sogenannte Kipppunkte erreicht werden, deren Auswirkungen dann nicht mehr kontrolliert oder gestoppt werden können.
Die letzten Jahre haben bereits auf erschreckende Weise gezeigt, dass es schon jetzt zu erheblichen Störungen im Klimasystem kommt. Andauernde Hitze und Dürre sowie enorme Starkniederschläge mit Stürmen nehmen spürbar zu. Die Schäden durch solche Wetterextreme steigen erheblich an, zerstören Lebensgrundlagen, bedrohen die Menschenrechte und machen Menschen krank – hierzulande und auf der ganzen Welt. Ohne raschere Senkung der Emissionen, werden diese Folgen gravierender. Dieser Befund ist wissenschaftlich unbestritten. Die Begrenzung der Erderhitzung auf maximal 1.5°C ist darum das Ziel der Schweiz und der Länder weltweit.
Doch die Welt ist nicht auf Kurs. Ein Bericht des Umweltprogramms der UNO (UNEP) zeigt, dass die Welt auf einen Temperaturanstieg zusteuert, der weit über die Ziele des Pariser Abkommens hinausgeht, wenn die Staaten nicht mehr leisten, als sie versprochen haben. Die Schweiz bildet hier keine Ausnahme. Die neuesten Zahlen zum CO2-Budget, dessen Einhaltung entscheidend ist, wenn wir die 1,5°C-Grenze nicht überschreiten wollen, zeigen deutlich: Die Klimastrategie der Schweiz ist nicht kompatibel mit dem Limit. Je nach Berechnungsmethode wird das CO2-Budget der Schweiz in Kürze ausgeschöpft sein, sofern es nicht bereits jetzt ausgeschöpft ist.
1 https://www.unep.org/resources/emissions-gap-report-2023
Will die Schweiz ihren gerechten Anteil zur Lösung der Klimakrise beitragen und ihre Klimaschuld decken, ist das weitere Vorgehen klar: Die Schweiz zündet in Sachen Klimaschutz den Turbo. Sie transformiert sich rasch in ein Land, das sich aus der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen befreit hat. Zusätzlich nutzt die Schweiz all ihre Möglichkeiten, damit auch im Ausland die Emissionen zügig sinken. Unter anderem erhöht sie die internationale Klimafinanzierung, um andere Länder bei ihrer Transformation finanziell zu unterstützen. Die Schweiz beginnt mit der Transformation jetzt.
Hier setzt dieser dritte Klima-Masterplan der Klima-Allianz an. Der Klima-Masterplan skizziert konkret die Zielvorstellungen für die Transformation und zeigt, wie die Schweiz ihre mächtigen Klimaschutz-Hebel nutzen kann, um innerhalb der nächsten zehn Jahre auf netto-null zu kommen. Der Plan veranschaulicht, wie unser Land innerhalb dieses Zeitrahmens seine Emissionen im Inland radikal senken kann, und beschreibt, wie zusätzliche Emissionen aus der Atmosphäre entfernt werden sollen. Der Klima-Masterplan macht deutlich, dass die Schweiz über diverse Klimahebel verfügt, mit denen sie massgeblich den Ausstoss von Treibhausgasemissionen weltweit beeinflussen kann: sei es über den Finanzplatz, über die vielen hier ansässigen und international tätigen Unternehmen und über den regen Import und Export. In jedem Kapitel werden kurz und anschaulich die heutigen Hürden, welche eine rasche Transformation verhindern und bremsen, aufgeführt. Ein darauf folgender Instrumentenmix zeigt, wie diese Hürden abgebaut und wie die Transformation beschleunigt werden kann.
Eine rasche Transformation ist möglich, wenn wir die heutigen Spielregeln, welche die Klimaerhitzung anheizen, ablösen durch Spielregeln, mit denen der Ausstieg aus den fossilen Energien gelingt und wir eine klimaverträgliche Welt erstellen können.
Mit dem Übereinkommen von Paris haben sich die Staaten darauf geeinigt, den globalen Temperaturanstieg unter 1,5°C zu halten, um die verheerendsten Folgen der Klimaerhitzung zu verhindern. Das 1.5°C-Limit wurde mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Fall der KlimaSeniorinnen rechtlich verbindlich bestätigt (s. auch weiter unten): Die Schweiz – und jedes andere Land, das die Menschenrechte respektiert – muss ihre Klimapolitik ernsthaft darauf ausrichten, die Erwärmung auf 1.5°C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
Das gelingt nur dann, wenn die physikalischen Zusammenhänge zwischen der Akkumulation von CO2 in der Atmosphäre und dem resultierenden Temperaturanstieg respektiert werden. Das noch verbleibende globale CO2-Budget muss von allen Ländern eingehalten werden. Die Schlüsselfrage dabei ist, wie viel jedes Land leisten muss, damit die globale Erwärmung bei 1.5°C gestoppt werden kann. Bis heute existiert keine gemeinsam akzeptierte Logik der Arbeitsteilung.
Die Schweiz behauptet, dass ihre aktuelle Klimapolitik für die Einhaltung des 1.5°C-Limits konzipiert wurde, weil sich die Schweizer Klimaziele auf die globalen Reduktionspfade aus den Berichten des Weltklimarats IPCC beziehen. Die einfache Herleitung der Schweiz: Wenn die Welt bis 2030 die Emissionen um 50 Prozent und bis 2050 auf netto-null reduzieren muss, um 1.5°C nicht zu überschreiten, dann reicht es, wenn die Schweiz sich die gleichen Ziele setzt. Dieser Ansatz besticht durch seine Einfachheit, ist aber nicht fair. Denn ein solcher Ansatz bevorteilt die Schweiz massiv gegenüber Ländern, die bisher weniger Emissionen verursacht haben und aktuell einen tieferen Pro-Kopf-Wert ausweisen. Der Ansatz blendet jegliche Verantwortung aufgrund der schon erfolgten Emissionen aus. Ganz entsprechend der Logik: wer schon viel verbraucht und hohe Emissionen hat, dem soll auch künftig mehr gegeben werden. Ein Land wie die Schweiz, das dank hoher Treibhausgasemissionen in der Vergangenheit reich geworden ist und Wohlstand aufbauen konnte, muss rascher und früher seine Emissionen senken als ein Land, welches noch in Entwicklung ist.
Eine nationale Klimastrategie muss in der Konsequenz abgestimmt sein auf das globale CO2-Budget und muss Rücksicht nehmen auf die gerechtfertigten Ansprüche anderer Länder. Ein nationales CO2-Budget, das keinen Bezug nimmt auf das globale Budget, besagt einzig, wie viel CO2 sich ein Staat selbst zugesteht.
Weil nicht nur die Schweiz, sondern viele andere Länder mit ihrer Klimapolitik sich selbst bevorteilen und entsprechend zu hohe Emissionen planen, sind wir aktuell weltweit nicht auf Kurs, um eine gefährliche Störung des Klimasystems abzuwenden.
Da nicht nur die Schweiz, sondern auch viele andere Länder mit ihrer Klimapolitik sich selbst bevorteilen und entsprechend zu hohe Emissionen planen, befinden wir uns weltweit derzeit nicht auf Kurs, um eine gefährliche Störung des Klimasystems abzuwenden.
Die Schweiz hat – wie praktisch alle anderen Staaten der Welt – das Übereinkommen von Paris ratifiziert, das alle Länder zur Reduktion der Treibhausgasemissionen verpflichtet.
Mit dem Übereinkommen von Paris sowie den danach folgenden Gesetzen in der Schweiz (z.B. Klimaschutzgesetz) hat sich die Schweiz zu Folgendem verpflichtet:
Ihren Beitrag zu leisten für die Begrenzung der globalen Erwärmung bei max. 1.5°C gegenüber dem vorindustriellen Level (1.5°C-Limit).
Die Treibhausgasemissionen in der Schweiz weitestmöglich zu senken und die verbleibenden Emissionen durch die CO2-Entfernung auszugleichen (Netto-Null-Ziel).
Die Finanzmittelflüsse des Bundes sowie des Schweizer Finanzsektors auf eine emissionsarme und gegenüber dem Klimawandel widerstandsfähige Entwicklung auszurichten (Finanzmittel-Ziel).
Ihren Beitrag zu leisten für den internationalen Klimaschutz. Reiche Länder mit hohen historischen Emissionen schreiten voran und unterstützen ärmere Länder beim Realisieren einer emissionsarmen Entwicklung und bei der Bewältigung von klimawandelbedingten Schäden (Fair-Share- und Finanzierung-Ziel).
In diesem Zusammenhang hat die Stimmbevölkerung den Bund und die Kantone dazu verpflichtet, eine Vorbildfunktion einzunehmen:Die Ziele, die für die ganze Schweiz gelten, sollen von Bund und Kantonen deutlich früher erreicht werden. (Vorbild-Ziel).
Nach dem Übereinkommen von Paris wurden an weiteren Klimakonferenzen Beschlüsse gefasst. Die wichtigsten Entwicklungen in Bezug auf die Zielsetzungen sind:
1.5°C-Limit und Netto-Null-Ziel – Reduktion von Methanemissionen: 2021 in Glasgow wurde mit dem «Global Methane Pledge», der mittlerweile von über 150 Ländern unterzeichnet wurde, eine 30%-Reduktion der weltweiten Methanemissionen bis 2030 versprochen. Das ist relevant und könnte die Erwärmung um 0.1 Grad mindern. Auch die Schweiz hat den Pledge unterzeichnet, doch sie unternimmt wenig, hier einen relevanten Beitrag zu leisten.
1.5°C-Limit und Netto-Null-Ziel – Zubau von erneuerbaren Energien und Steigerung der Energieeffizienz: 2023 in Dubai wurde definiert, dass der jährliche Zubau erneuerbarer Energie verdreifacht und die jährlichen Gewinne in Energieeffizienz bis 2030 verdoppelt werden sollen. Die Schweiz und über 130 Länder bekennen sich freiwillig dazu. Alle Länder sind aufgefordert, diese Zielsetzungen in den 2025 einzureichenden nationalen Klimazielen (NDC) zu berücksichtigen.
Finanzmittel-Ziel – öffentliche Gelder und Finanzsektor:
2021 in Glasgow wurde eine Erklärung von der Schweiz und mittlerweile über 40 Ländern resp. Entwicklungsbanken unterzeichnet, dass keine öffentlichen Gelder mehr in den Ausbau der Infrastruktur für fossile Energie fliessen sollen. Ein aktuelles Monitoring zeigt, dass dies insgesamt wirksam war, aber ausgerechnet die Schweiz bildet das Schlusslicht bei der Umsetzung. Der Grund: Die Schweizerische Exportrisikoversicherung SERV versichert weiterhin Gaskraftwerkexporte im grossen Stil.
2 https://www.iisd.org/articles/press-release/leaders-cuts-fossil-fuel-finance-short-clean-energy
2021 in Glasgow haben sich 160 grosse Finanzakteure mit verwalteten Anlagen von über 70’000 Mrd. USD zur Glasgow Financial Alliance for Net Zero (GFANZ) zusammengeschlossen.
Finanzierung-Ziel – Bereitstellung der Mittel für die Transformation, Anpassung und Schadensbegrenzung: 2022 wurde in Sharm el Sheik ein Fonds zur Deckung von klimabedingten Schäden und Verluste (Loss & Damage) geschaffen, der nun operationalisiert und gefüllt werden muss. An der 2024-Konferenz in Baku wird die Höhe der neuen Verpflichtungen zur Finanzierung von Emissionsminderungen weltweit sowie zur Finanzierung von Anpassungsmassnahmen in besonders betroffenen Ländern festgelegt. Daraus leitet sich dann auch der faire Anteil ab, den die Schweiz im Minimum beitragen muss.
Die Klimakrise ist ein globales Problem, das gemeinsam gelöst werden muss. Noch ist die Welt weit davon entfernt, die Klimakrise einzudämmen.
Im jährlichen Emission Gap Report des UN-Umweltprogramms werden die Anstrengungen aller Länder erfasst und im Hinblick auf das gemeinsame Ziel bewertet. Demnach würde die vollständige Umsetzung der im Rahmen des Pariser Abkommens bisher festgelegten nationalen Klimaschutzbeiträge (NDC) den Temperaturanstieg in diesem Jahrhundert auf 2,9°C über dem vorindustriellen Niveau begrenzen. Wenn zusätzlich die an Bedingungen geknüpften nationalen Klimaschutzbeiträge vollständig umgesetzt würden, dann würde dieser Wert auf 2,5°C sinken.
3 https://www.unep.org/resources/emissions-gap-report-2023
Es braucht also grosse Anstrengungen von allen Ländern, um tatsächlich das 1.5°C-Limit in Reichweite zu halten. Die Klimaschutz-Anstrengungen weltweit müssen nahezu verdoppelt werden, um eine gefährliche Störung des Klimasystems der Erde zu vermeiden.
Damit die 1.5°C-Grenze nicht überschritten wird, ist die Einhaltung des noch verbleibenden globalen CO2-Budgets (auch Kohlenstoffbudget, Carbonbudget oder Klimabudget genannt) massgebend. Aufgrund des Zusammenhangs der kumulierten Menge an CO2 mit der resultierenden Erwärmung kann bestimmt werden, wie viele CO2-Emissionen noch maximal ausgestossen werden dürfen, um den globalen Temperaturanstieg noch auf 1.5°C begrenzen zu können. Wird das noch verbleibende Restbudget übernutzt, resultiert eine höhere Erwärmung.
Tabelle 1: Das noch verbleibende CO2-Budget gemäss IPCC AR6 und der überarbeiteten wissenschaftlichen Schätzung aus dem Jahr 2024 für verschiedene statistische Wahrscheinlichkeiten, das 1.5°C-Limit einhalten zu können
4 https://essd.copernicus.org/articles/16/2625/2024/#section8
Die Tabelle zeigt, dass das global noch verbleibende CO2- Budget nur noch 150 bis 200 Gt CO2 beträgt. Bei konstantem globalem Emissionsniveau des Jahres 2023 von rund 40 Gt CO2 ist das verbleibende CO2-Budget für eine 50% Wahrscheinlichkeit, das 1.5°C-Limit noch einhalten zu können, schon 2029 (!) aufgebraucht. Darum ist allerorts zu lesen, dass sich das Fenster zur Vermeidung einer gefährlichen Störung des Klimasystems rapide schliesst. Nur zeitnahe und substanzielle globale Emissionsreduktionen vor 2030 halten das Fenster noch offen.
Am 9. April 2024 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Fall der KlimaSeniorinnen gegen die Schweiz ein historisches Urteil gefällt: Es gibt einen menschenrechtlichen Anspruch auf wirksamen Klimaschutz. Der EGMR stellt in seinem Urteil fest: Die Folgen der Klimaveränderung wie Hitzewellen und Dürren bedrohen die durch die Europäische Menschenrechtskonvention geschützten Rechte der heute lebenden Menschen und insbesondere der zukünftigen Generationen. Zum Schutz der Menschenrechte muss daher jeder Staat seinen Anteil leisten, um eine gefährliche Störung des Klimasystems zu vermeiden. Der EGMR hat dabei das von der Schweiz und praktisch allen anderen Ländern akzeptierte Erderwärmungslimit von maximal 1.5°C als menschenrechtlich relevante Grenze festgelegt. Konkret heisst das: Jeder Staat steht in der Verantwortung, seinen Teil dazu beizutragen, dass die globale Erwärmung auf maximal 1,5°C begrenzt wird. Auch die Schweiz. Trittbrettfahren ist nicht erlaubt.
Um das globale CO2-Budget einzuhalten, braucht es eine Arbeitsteilung zwischen allen Ländern. Die Schlüsselfrage dabei ist, wie viel des Budgets jedes einzelne Land noch nutzen darf. Bis heute existiert keine gemeinsam akzeptierte Logik der Arbeitsteilung. Die UN-Klimarahmenkonvention hat diesbezüglich schon 1992 von einer geteilten, aber unterschiedlichen Verantwortung gesprochen und die Schweiz hat sich schon vor Jahrzehnten dazu verpflichtet.
Aus Sicht der Klima-Allianz bedeutet dies: Die Schweiz muss ihre Klimastrategie so ausgestalten, dass
die Wahrscheinlichkeit, das 1.5°C-Limit noch einhalten zu können, mindestens 50% beträgt und
5 Das Vorsorgeprinzip würde eine Wahrscheinlichkeit über 95% erfordern, gerade auch weil die Auswirkungen unsicher und gross sind. Es geht hier jedoch um physikalische Zusammenhänge, weshalb wir hier die mittlere Schätzung (=50%) der Wissenschaft verwenden.
mit dem von ihr gewählten Ansatz das verbleibende Budget von 200 Gt CO2 eingehalten würde, falls alle Staaten der Welt den gleichen Ansatz verfolgen würden. Dies bedingt, dass sämtliche Staaten einen fairen Anteil an den globalen Klimaschutzbemühungen leisten.
Im Klimakontext meint eine faire Aufteilung, dass der Aufwand zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen global gerecht verteilt wird. Ein solche gerechte Verteilung nennt sich auch «fair share» und bedeutet konkret, dass also kein Staat mehr vom global verbleibenden CO2-Budget nimmt, als ihm tatsächlich zusteht – basierend auf Überlegungen wie der historischen Verantwortung eines Staates für die Klimakrise und seiner Möglichkeiten, zur Lösung des Problems beizutragen.
Um die Ansprüche an eine 1.5°C-kompatible Dekarbonisierung der Schweiz ermitteln zu können, diskutieren wir vier mögliche Arten der Aufteilung des verbleibenden CO2-Budgets auf einzelne Länder (Arbeitsteilungsansatz).
Berücksichtigung eines gleichen Pro-Kopf-Rechts ohne historische Verantwortung: Nach dem Abschluss des Übereinkommens von Paris wird ab 2016 das damals noch verbleibende CO2-Budget auf alle Länder gemäss ihrer Bevölkerung verteilt**.**
Berücksichtigung eines gleichen Pro-Kopf-Rechts mit historischer Verantwortung: Mit dem ersten vollumfassenden Bericht des Weltklimarates IPCC im Jahr 1990 wurde die Situation bezüglich Klimaerwärmung für alle Länder, die diesen Bericht damals verabschiedet haben, klar dargelegt. Darum wird bei diesem Ansatz ein gleiches Pro-Kopf-Recht auf das 1990 noch verbleibende CO2-Budget berechnet. Damit wird berücksichtigt, dass seither trotz Wissens zur drohenden Störung des Klimasystems Jahr für Jahr erhöhte Emissionen verursacht wurden.
Berücksichtigung der Fähigkeit eines Landes gemessen an der Wirtschaftskraft mit gleichem Pro-Kopf-Recht ab 1990 oder 2016: Dieser Ansatz trägt dem Fakt Rechnung, dass durch die hohen verursachten Emissionen in der Vergangenheit die eigene Wirtschaftskraft erst aufgebaut werden konnte und diese nun auch ein höheres Handlungspotential ergibt, auf CO2-freie Energiesysteme umzustellen. Hierfür kann ab 1990 (mit Berücksichtigung einer historischen Verantwortung) oder ab 2016 (ohne eine weitergehende historische Verantwortung) gerechnet werden.
Die beiden Arbeitsteilungsansätze, welche die Fähigkeit eines Landes gemessen an der Wirtschaftskraft berücksichtigen, verfolgen das oben genannte «fair share » Prinzip. Die Berechnungen für das verbleibende CO2-Budget der Schweiz je nach gewähltem Arbeitsteilungsansatz wurden 2024 von Konstantin Weber und Cyril Brunner von der ETH Zürich durchgeführt. Die folgende Tabelle zeigt die Resultate.
6 Für die Berechnungen wurden neuere Daten zum globalen CO2-Budget verwendet (Lamboll et al. (2023) - https://www.nature.com/articles/s41558-023-01848-5). Diese sind praktisch identisch mit den oben gezeigten CO2-Budgets ab dem 1.1.2024, wenn man die Jahresemission von 2023 hinzu zählt. Das mit 1.5°C kompatible globale Budget ab dem 1.1.2023 beträgt demnach 247 Gt CO2 für eine 50% Wahrscheinlichkeit und 160 Gt CO2 für eine 67% Wahrscheinlichkeit. Für die Berechnung der Länderbudgets wurden die Flugzeugtreibstoffe (Bunker Fuels), die keinem Land angerechnet werden, vom globalen Budget abgezogen, bevor dieses gemäss dem gewählten Arbeitsteilungsansatz auf die Länder aufgeteilt wurde. Zudem wurde das verbleibende CO2-Budget von der IPCC-Methodik zur Treibhausgaserfassung in die von den Staaten verwendete UNFCCC-Methodik umgerechnet, in der beispielsweise mehr Senkenleistungen von Wäldern als menschlich anstatt natürlich bewertet werden (z.B. Gidden et al., 2023). Bei der Arbeitsteilung gemäss Wirtschaftskraft eines Landes wird ein kumulatives Pro-Kopf-BIP ab dem Jahr 1950 gebildet und das Budget basierend auf dem inversen kumulativen Pro-Kopf-BIP den Ländern zugewiesen. Daraus resultiert, dass reiche Länder mit hoher Wirtschaftskraft, die die Klimaerhitzung primär verursachen, auch die primäre Verantwortung für die Emissionen übernehmen müssen. Das globale CO2-Budget wird wie in Lamboll et al. (2023) auf die Entwicklung der anderen Treibhausgase abgestimmt. Die anderen Treibhausgase müssen zwischen 2020 und 2050 wie folgt abgesenkt werden, um mit dem 1.5°C kompatiblen CO2-Budget im Einklang zu sein: Der Berechnung liegen folgende globale Reaktionspfade zugrunde (Medianwert mit 25% und 75% Perzentil in Klammer): Methan: -51% (-47% bis -60%) Lachgas: -22% (-7% bis -35%) F-Gase: -91% (-47% bis -98%) Wenn die Emissionen der anderen Treibhausgase langsamer gesenkt werden, dann verringert sich das CO2-Budget und umgekehrt.
Tabelle 2: Das CO2-Budget der Schweiz, ermittelt für vier mögliche Arbeitsteilungsansätze gemäss Berechnungen von Konstantin Weber und Cyrill Brunner der ETH Zürich. Lesebeispiel: Wird das globale CO2-Budget nach dem Arbeitsteilungsansatz «Fähigkeit mit gleichem Pro-Kopf-Recht ab 2016» aufgeteilt, so betrug im Jahr 2016 das Budget für die Schweiz noch 61 Millionen Tonnen CO2 für eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, das 1.5°C-Limit einzuhalten.
Anhand der oben berechneten CO2-Budgets für die Schweiz und der Daten zu den bisherigen CO2-Emissionen der Schweiz haben wir das ab dem 1. Januar 2023 noch vorhandene CO2-Budget ermittelt. Zudem haben wir anhand der geplanten Klimapolitik bis 2030 und 2050 das Jahr der Budget Übernutzung berechnet. Dafür wird angenommen, dass die CO2-Emissionen ab dem 1.1.2023 weiter sinken, und zwar im Inland bis 2030 aufgrund der beschlossenen Massnahmen des CO2-Gesetzes um 34% und bis 2040 aufgrund des im Klimaschutzgesetzes festgelegten Ziels für alle Treibhausgase um 75% gegenüber 1990.
Tabelle 3: Berechnungen der Klima-Allianz zum ab dem 1.1.2023 noch verbleibenden CO2-Budget der Schweiz je nach Arbeitsteilungsansatz mit dem Jahr der Budgetübernutzung bei bestehender Klimapolitik der Schweiz. Lesebeispiel: Gemäss Budgetaufteilung nach dem Arbeitsteilungsansatz «Fähigkeit mit gleichen Pro-Kopf-Recht ab 2016» standen der Schweiz 2016 noch 61 Millionen Tonnen CO2 zur Verfügung bei einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit, das 1.5°C-Limit zu erreichen. Werden die historischen CO2-Emissionen abgezogen, resultiert daraus ein negatives Budget von 188 Millionen Tonnen CO2. Konkret heisst das: Die Schweiz übernutzt das noch verbleibende CO2-Budget seit 2017.
Tabelle 3 veranschaulicht deutlich: Die Klimastrategie der Schweiz ist nicht kompatibel mit dem 1.5°C-Limit. Bei einer gleichen Arbeitsteilung für alle Länder bleibt für die Schweiz nur dann Budget übrig, wenn die Wirtschaftskraft ausgeblendet wird und keine höhere Wahrscheinlichkeit als 50% gewählt wird.
Die bei gleichem Pro-Kopf-Recht verbleibenden 270-286 Mio. Tonnen CO2 sind mit der aktuellen Klimapolitik spätestens bis 2032 aufgebraucht. Die im Teil 2 vorgeschlagene Klimapolitik ermöglicht es bei umgehender Umsetzung dieses Restbudget einzuhalten und die Emissionen bis 2035 auf netto-null zu senken.
7 Falls das neue Klimapolitik-Paket ab 2028 wirkt, beträgt das Restbudget noch rund 140 Mio.t CO2. Würde ab dann linear reduziert, wäre das Restbudget 2038 aufgebraucht. Nicht alle Instrumente wirken sofort, weshalb das Netto-Null-Ziel 2035 erreicht werden muss, um im Budget zu bleiben.
Wird bei der Arbeitsteilung die Fähigkeit zur Absenkung der Emissionen aufgrund der Wirtschaftskraft berücksichtigt, dann hat die Schweiz ihr CO2-Budget für 1.5°C in jedem Fall schon vor Jahren aufgebraucht. Es resultiert ein negatives Budget. Die Fähigkeit ist für die globale Arbeitsteilung ganz entscheidend. Nicht nur weil Länder mit hoher Wirtschaftskraft u.a. durch die grossmassstäbliche Nutzung fossiler Energien reich geworden sind, sondern auch, weil sie mehr Möglichkeiten für die notwendige Transition weg von CO2-Emissionen haben als ärmere Länder.
Bei der Arbeitsteilung aufgrund der Fähigkeit lebt die reiche Schweiz also auf Pump. Bezüglich CO2 hat sie seit Jahren Schulden bei anderen Ländern gemacht und hat darum heute ein negatives CO2-Budget. Diese Schulden kann sie durch die Finanzierung von Klimaschutzmassnahmen in anderen Ländern zurückzahlen. Die Finanzierung ist darum auch ein Schlüsselthema an den internationalen Klimaverhandlungen. Damit übernehmen Industrieländer Verantwortung dafür, dass weltweit noch vor 2030 bedeutende Reduktionen der CO2-Emissionen gelingen können.
Eine solche Finanzierung von Emissionsreduktionen im Ausland mit dem Ziel, eine gefährliche Störung des Klimasystems möglichst noch zu vermeiden, ist im Interesse aller. Denn nur wenn alle Länder ihren fairen Beitrag zur Stabilisierung des Klimasystems leisten, kann die Erderhitzung unter 1.5°C gehalten werden.
Die weltweit benötigte Transformation zur Bewältigung der Klimakrise stellt viele Länder im globalen Süden vor grosse finanzielle Herausforderungen. Eine Verpflichtung für die Industriestaaten zur finanziellen Unterstützung der Entwicklungsländer ist im Pariser Abkommen festgeschrieben. Der Schweizer Beitrag beträgt jährlich 450 bis 600 Millionen USD. Von zivilgesellschaftlicher Seite wurde der Bundesrat kritisiert, für diesen so genannten «fairen Anteil» die Verantwortung der Schweiz für die Klimakrise bisher kleingerechnet zu haben. Dieser müsste bei mindestens 1 Milliarde Dollar pro Jahr liegen, da bei der Berechnung des Beitrags die Wirtschaftskraft und die Treibhausgasemissionen im Ausland zu berücksichtigen sind, die durch den hohen Konsum der Schweiz verursacht werden. Ausserdem müsste der Beitrag zusätzlich zur internationalen Zusammenarbeit erfolgen.
Doch nicht nur die Schweiz leistet zu wenig an die internationale Klimafinanzierung. Um die Bedürfnisse der Entwicklungsländer zu berücksichtigen, muss die Klimafinanzierung gegenüber heute vervielfacht werden. Es braucht neue, zusätzliche Gelder. Das Climate Action Network (CAN), ein zivilgesellschaftliches Netzwerk von mehr als 1900 Organisationen weltweit, fordert ein neues Ziel von mindestens 1000 Milliarden Dollar jährlich in Form von öffentlicher Finanzierung. Gestützt wird die Forderung auf eine Analyse wissenschaftlicher Literatur sowie von Studien internationaler Institutionen:
Für die Verminderung der Treibhausgasemissionen wird auf Basis von Zahlen aus der Net Zero Roadmap der Internationalen Energieagentur ein Unterstützungsbedarf von 300 Milliarden Dollar jährlich errechnet.
8 IEA, Net Zero Roadmap, Update 2023: : A Global Pathway to Keep the 1.5 °C Goal in Reach, https://www.iea.org/reports/net-zero-roadmap-a-global-pathway-to-keep-the-15-0c-goal-in-reach
Zur Anpassung an die Klimaerwärmung fordert CAN, basierend auf der im UNEP Adaptation Gap Report 2023 ausgewiesenen Finanzierungslücke, jährlich ebenfalls 300 Milliarden Dollar.
Schliesslich wird mit einem Finanzierungsbedarf von 400 Milliarden Dollar für die Deckung von Schäden und Verlusten gerechnet.
9 Markandya, A., González-Eguino, M. (2019). Integrated Assessment for Identifying Climate Finance Needs for Loss and Damage: A Critical Review. In: Mechler, R., Bouwer, L., Schinko, T., Surminski, S., Linnerooth-Bayer, J. (eds) Loss and Damage from Climate Change. Climate Risk Management, Policy and Governance. Springer, Cham. https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-319-72026-5_14
Die wachsende Finanzierungslücke wurde mehrfach in Berichten des Weltklimarats IPCC ausgewiesen. Die Schweiz sollte 1% davon beitragen, also 10 Mrd. USD resp. 9 Mrd. CHF pro Jahr (siehe auch Kapitel «Finanzielle Auswirkungen und Finanzierung»).
Die Schweiz spielt im Kampf gegen die Klimakrise aber nicht nur eine wichtige Rolle, weil sie die finanziellen Mittel und das Know-how hat, um die inländischen Emissionen in den Sektoren rasch zu senken und Klimaschutz in anderen Ländern zu ermöglichen. Die Schweiz kann weitere bedeutende globale Klimahebel betätigen.
Abbildung 1 bietet einen Überblick zu den Sektoren und Klimahebeln der Schweiz sowie zu den verantworteten Emissionsmengen: Gebäude, Industrie/Abfall, Landverkehr, Luftfahrt, Landwirtschaft, Schweizer Firmen im Ausland, Schweizer Finanzplatz, Graue Treibhausgasemissionen – überall hier kann die Schweiz eingreifen. In Teil II des Klima-Masterplans 2024 finden sich für jeden Sektor und jeden Klimahebel entsprechende Politikmassnahmen.
Der innere Kreis der Abbildung veranschaulicht die direkten Emissionen der Schweiz, respektive die Emissionen der in der Schweiz getankten Treibstoffe. Im Gegensatz zur Darstellung des Bundesamts für Umwelt BAFU ist in unserer Abbildung die internationale Luftfahrt ab Schweiz mit dabei, weil wir diese direkt beeinflussen können. Auch die BAFU-Statistik sollte künftig die internationale Luftfahrt in der schweizerischen Emissionsstatistik ausweisen, weil mit dem Klimaschutzgesetz ein Netto-Null-Ziel bis 2050 beschlossen wurde, welches die internationale Luftfahrt beinhaltet.
Der äussere Kreis zeigt die Hebel, welche die Schweiz hat, um die indirekten Emissionen zu mindern. Die grauen Emissionen im Ausland, die durch unseren Konsum entstehen, übersteigen bereits die Inlandemissionen. Noch höher sind die Emissionen von in der Schweiz angesiedelten Firmen, welche deren Unternehmen im Ausland verursachen, um die dortigen Märkte zu bedienen. Verfolgen die Firmen die Ziele der Science Based Targets Initiative (SBTi), können diese Emissionen auf netto-null reduziert werden. Und nochmals mächtiger sind die Emissionen, die mit dem Schweizer Finanzplatz verbunden sind. Die Emissionsmengen im äusseren Kreis sind zwar deutlich höher, aber die Möglichkeiten, diese Hebel durch die Schweiz zu betätigen, sind schwächer.
In der Abbildung nicht abgebildet sind die oben bereits erwähnten Möglichkeiten der Emissionsreduktionen im Ausland dank der Klimafinanzierung. Je höher der Schweizer Beitrag an die internationale Klimafinanzierung ist, desto grösser ist das Reduktionspotential. Im zweiten Klima-Masterplan der Klima-Allianz von 2016 wurde zudem auf den Hebel der internationalen Investitionsregeln und -anreize hingewiesen, welcher schwer zu quantifizieren ist. Doch die Schweiz hat in sehr vielen internationalen Gremien wie z.B. WTO, IEA, ICAO, IMO oder OECD Einsitz, zudem verfügt sie unter anderem bei multinationalen Entwicklungsbanken oft über einen Sitz im Vorstand. Damit eröffnet sich ein grosser Handlungsspielraum, um Regeln im Sinne einer kohärenten Klimapolitik mitzubestimmen.
10 https://www.klima-allianz.ch/beitrag/klima-masterplan-erster-schweizer-plan-zur-umsetzung-des-pariser-abkommens/
Abbildung 1: Mächtigkeit der Schweizer Klimahebel in Mio.t CO2eq pro Jahr (jeweils letzte verfügbare Daten von BAFU für einzelne Sektoren Stand 2022 mit Faktor 3 für Luftfahrt Stand 2023, BfS für importierte graue Emissionen 2021, McKinsey-Schätzungen für Finanzplatz und CH-Firmen im Ausland)
Fazit: Aufgrund der hohen Wirtschaftsleistung, des riesigen Finanzplatzes, des hohen Konsums und der offenen Wirtschaft ist die Menge der indirekten Emissionen immens und macht die kleine Schweiz zu einem Top-10-Land in Sachen Klimaverantwortung. Pro Kopf gerechnet sind wir mit dieser Betrachtung gar Spitzenreiterin. Das soll die Bedeutung der direkten Emissionen jedoch nicht mindern. Nicht nur WTO und GATT verlangen, dass im Inland mindestens die gleichen Regeln gelten wie für Importe. Die Klimagerechtigkeit bedingt, dass sich die Schweiz innerhalb des CO2-Budgets bewegt und ihren fairen Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise leistet. Nur mit einer fairen Verteilung des globalen CO2-Budgets ist die weltweite Transformation zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad umsetzbar.
11 Nur China, USA, Indien und Russland emittieren mehr als 2 GtCO2/a. https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_countries_by_greenhouse_gas_emissions. Die Schweiz beeinflusst mit seinem Finanzplatz und multinationalen Unternehmen Emissionen von mehr als 2 GtCO2/a. Das sind mehr als 200 t CO2eq pro Kopf. Da diese Berechnungen nicht systematisch für andere Länder gemacht werden, ist ein Vergleich nicht möglich. Doch unter den gleichen Annahmen könnte höchstens ein sehr kleines Finanzplatz Land pro Kopf noch höhere Emissionen mitbeeinflussen als die Schweiz.
Die Klima-Allianz will deshalb nicht, dass mit kreativer Buchhaltung Klimaziele erreicht werden. Die Auslandskompensation soll spätestens per 2030 beendet werden. Die Gefahr ist gross, dass die Schweiz durch diese Praxis wirkungsvolle Massnahmen im Inland auf die lange Bank schiebt. Die Klimaverantwortung der Schweiz verlangt eine beschleunigte inländische Transformation und die verstärkte Mitfinanzierung der weltweiten Transformation über die internationale Klimafinanzierung. Der bisherige Weg über die Kompensation von CO2-Emissionen mit Projekten im Ausland hingegen vermischt die Schweizer Klimaziele mit der Klimafinanzierung im Ausland in einer Art und Weise, welche die Ambitionen der Klimapolitik aller beteiligten Länder verringert.
Wie die Herleitung von gerechten CO2-Budgets in Teil I des Klima-Masterplans zeigt, ist bei den für die Schweiz vorteilhaften Arbeitsteilungsansätzen eine Netto-Null-Emission bis 2035 nötig. Wird zusätzlich berücksichtigt, dass die Schweiz einerseits durch ihren Konsum im Ausland hohe Emissionen verursacht und andererseits über hohe wirtschaftliche und technische Kapazität verfügt, um den Klimaschutz zu verstärken, müssten schon heute die CO2-Emissionen in der Schweiz auf netto-null oder gar negativ sein. Deshalb zielen die in Teil II des Klima-Masterplans vorgeschlagenen Politikmassnahmen auf eine rasche Dekarbonisierung ab. Die Herausforderung wird grösser, je länger wirkungsvolle Massnahmen aufgeschoben werden. Die Klima-Allianz zeigt mit diesem Plan auf, wie die Schweiz innert zehn Jahren ihre eigene Transformation schaffen und die grössten zusätzlichen Klimahebel für die weltweite Transformation nutzen kann.
Dabei gibt es limitierende Faktoren: Den allgemein hohen Konsum, die beschränkte Zahl an Fachkräften, die nicht beliebig schnell verfügbaren Materialien und Geräte/Fahrzeuge, den enormen Bestand an Heizungen und Fahrzeugen, die aktuell fossil betrieben werden und teilweise vorzeitig ersetzt werden müssen, die mobilisierbaren Investitionsmittel sowie das wohl knappste Gut: der individuelle und gesellschaftliche Wille, die Transformation rasch umzusetzen.
Die Klima-Allianz Schweiz sieht es als ihre Aufgabe, zielführende Politikinstrumente zu benennen und einzufordern. Dabei führen wir die aus unserer Sicht wichtigsten Hürden pro Sektor/Thema auf.
Die Klima-Allianz sieht den vorgeschlagenen Instrumentenmix als Diskussionsbeitrag. Allenfalls sind andere Instrumente ebenfalls geeignet, die Hemmnisse zu überwinden, und diese sind womöglich mehrheitsfähiger.
Der Climate Action Plan des Klimastreiks oder auch das Positionspapier der Jungen Grünen enthalten weitergehende Forderungen zum gesellschaftlichen Wandel und dem Umbau des Wirtschaftssystems. Auch wir verfolgen den Grundsatz, dass der Konsum- und Wachstumsdruck gesenkt, neue Investitionen grundsätzlich und ab sofort klima- und sozialverträglich sein müssen und das bestehende System im Eilzugstempo umgebaut werden muss. Dies wird das heutige Wirtschaftssystem transformieren. Wir tun dies möglichst ohne ideologische Scheuklappen, da auch wir das perfekte System nicht kennen und der hierfür nötige gesellschaftspolitische Diskurs Zeit braucht. Wir wollen jetzt handeln und möglichst alle mitnehmen in diesem Wandel.
12 https://climatestrike.ch/crisis
13 https://jungegruene.ch/fileadmin/canton-filemounts/CH/Unterlagen_Veranstaltungen/20240824_MV_Luzern/Klima-Positionspapier_2024_DE.pdf
Das weltweit verbleibende CO2-Budget ist wie oben gezeigt mittlerweile sehr klein und umgelegt auf die Schweiz erscheint die Herausforderung immens. Nicht nur die Fossilenergiewirtschaft, sondern auch der IPCC geht in mehreren Szenarien davon aus, dass die CO2-Budgets überschritten werden und deshalb die CO2-Entfernung aus der Luft (oder künftig vielleicht auch aus dem Meer) und die sichere permanente Einlagerung notwendig ist, um die Erderhitzung womöglich trotzdem unter 1.5°C zu stabilisieren. Diese Technologien zur CO2-Entfernung, werden seit dem Pariser-Klimaabkommen und der dortigen Zielsetzung von Netto-Null-Emissionen als “Muss-Technologie” gehandelt, da nur so verbleibende schwierig oder teuer zu eliminierende Emissionsquellen ausgeglichen werden können.
Eine neue Studie zeigt, dass die Bandbreiten der Kapazität für die CO2-Entfernung stark nach unten korrigiert werden müssen, wenn alle Faktoren und bekannten Pläne berücksichtigt werden. Eine CO2-Entfernungskapazität von 5 bis 6 Gt CO2 pro Jahr bis im Jahre 2050 wird neu als Obergrenze betrachtet. Dies sind gut 10% der heutigen Emissionen. Allein die Emissionen aus der Landwirtschaft und die Nicht-CO2-Emissionen der Luftfahrt übersteigen heute diese Entfernungskapazität. Zudem besteht die Unsicherheit, ob die Senkenwirkung von Böden, Wäldern und Ozeanen auf dem heute hohen Niveau bestehen bleibt.
14 https://www.nature.com/articles/s41467-024-51226-8
Rein technologische Lösungen wie die CO2-Entfernung aber auch die Abscheidung und Lagerung von CO2 aus Punktquellen wie Kehrichtverbrennungsanlagen und Zementwerken sind aus Sicht der Klima-Allianz Teil des mittlerweile nötigen Lösungsportfolios, weil wir leider seit 1990 den Klimaschutz vernachlässigt und die Emissionen nicht wie notwendig gesenkt haben. Die CO2-Emissionen sind um 70% gestiegen. Es ist aber klar, dass echte Emissionsverminderungsmassnahmen an der Quelle die Top-Priorität der Klima-Allianz bleiben. Diese sind weltweit und auch in der Schweiz viel einfacher umzusetzen, wenn ja, die einen übermässig hohen CO2-Fussabdruck haben, gleichzeitig ihren Konsum auf realistische Dimensionen anpassen . Denn das hohe Konsumniveau z.B. der Schweiz sprengt nicht nur beim Klima die planetaren Grenzen; technologische Klimaschutzlösungen wie z.B. Elektroautos tragen durch den Rohmaterialverbrauch dazu bei, dass weitere planetare Grenzen gesprengt werden.
Gesellschaftliche Normen, neue Spielregeln und Anreize müssen helfen, ein realistisches Konsumniveau in der Schweiz, den Industrieländern aber auch in der reichen Oberschicht der Schwellen- und Entwicklungsländer zu erreichen. Es geht also darum, Suffizienz oder Genügsamkeit als neues “normal“und als „realistisch“ anzuerkennen, so dass sie nicht als Verzicht gewertet wird. Realistischerweise betrifft dies die Menge an Wohnraum, die Menge und Art der beanspruchten motorisierten Mobilität zu Land und insbesondere in der Luft, die Menge und Art von Lebensmitteln, aber auch die Menge und Art von Konsumgütern wie Kleidung, elektronische Geräte, Möbel usw. Die Re-Kaskade “Refuse, Rethink, Reduce, Reuse, Repair, Refurbish, Remanufacture, Repurpose, Recycle und schliesslich Recover” kann dabei als Richtschnur dienen.
Die Analyse der Handlungsbereiche und die Vorschläge für Politikmassnahmen beinhalten alle Lösungsfelder: Drosselung der unrealistischen Nachfrage, aber durchaus auch Substitution durch klimaverträgliche Technologien und technologische Lösungen mit Carbon Capture & Storage (CCS) und CO2-Entfernung.
Das heutige System ist geprägt von individuellen und kollektiven Entscheidungen, die oft unbewusst auch Entscheidungen sind für oder gegen eine Transformation hin zu Netto-Null-Emissionen, hin zu 100% erneuerbar, hin zu regenerativ und hin zum Einhalten der planetaren Grenzen. Weil Entscheidungen meist aus Gewohnheit und eher selten nach sorgfältigem Abwägen aller Vor- und Nachteile getroffen werden, brauchen wir Rahmenbedingungen, welche dazu führen, dass Entscheidungen viel häufiger und möglichst niederschwellig und einfach im Sinne der Transformation hin zu einer Welt ohne Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen ausfallen. Die aus Sicht der Transformation richtigen Entscheidungen müssen zur gesellschaftlichen Norm werden. Dies wird möglich, wenn die Preise nicht mehr die falschen Signale geben, wenn es Vorbilder gibt, wenn es einfacher wird, die richtige statt die falsche Entscheidung zu treffen, wenn es eine Rechtfertigung oder gar Verteidigung nicht mehr für die klimafreundliche, sondern für die klimaschädliche Entscheidung braucht und die Folgekosten übernommen werden müssen.
Diese Zielvorstellung gilt grundsätzlich auch für alle nachfolgenden Sektoren. In diesem Kapitel fokussieren wir auf Instrumente, welche die Transformation in verschiedenen Sektoren gleichzeitig voranbringen.
Weil die Klimaschadenskosten nicht oder erst teilweise beim Bestimmen der Preise berücksichtigt werden, besteht ein Marktversagen: Jede ausgestossene Tonne Treibhausgase heizt die Klimakrise an und verursacht damit Folgekosten: Weil Massnahmen finanziert werden müssen, um sich an die Klimaveränderung anzupassen; weil die Folgen der Klimakrise (Hitzewellen, Überschwemmungen usw.) Verluste und Schäden im In- und Ausland verursachen, die kompensiert werden müssen; weil die ausgestossenen Treibhausgase später aus der Atmosphäre wieder entfernt werden müssen. Diese Klimaschadenskosten werden nicht oder erst teilweise beim Bestimmen der Preise berücksichtigt. Die Folge davon: Klimaschädliche Produkte und Dienstleistungen werden heute de facto direkt oder indirekt subventioniert.
Führt ein Land hohe CO2-Abgaben ohne flankierende Massnahmen ein, dann verteuert dies die inländische Produktion und führt z.B. dazu, dass CO2-intensive Güter importiert werden und Autos im Ausland betankt werden, was die Klimawirkung und die eigene Wirtschaft schwächt.
Unsere Steuergelder befeuern die Klimakrise, weil die öffentliche Hand keine ausreichende Vorbildrolle einnimmt und teilweise via Subventionen die Klimakrise gar befeuert.
Solange sich die Werbung auf das alte, fossile, tierische, Mehr-ist-besser-Normal fokussiert, wird der Wandel der gesellschaftlichen Norm verlangsamt.
Personen, die ihrer Vorbildrolle gerecht werden, dürfen nicht mehr einer ideologischen Kaste zugeordnet werden. Liberale, konservative, weltoffene, heimatverbundene, soziale und grüne Werthaltungen müssen allesamt kompatibel mit dem Schutz unserer Lebensgrundlagen sein. Eine neue soziale Norm ist wichtig, damit neue klimafreundliche Produkte in den Massenmarkt eingeführt werden können und das lokale Handwerk einen Anreiz hat, sich aus- und weiterzubilden.
Effizienzmassnahmen, erneuerbare Energien und klimafreundlichere Verfahren erfordern oft hohe Anfangsinvestitionen, die sich meist erst über viele Jahre durch tiefere Betriebskosten amortisieren lassen. Fehlendes Investitionskapital, hohe Risikoaufschläge bei den Zinsen und ein zu kurzer Investitionshorizont verunmöglichen die nötigen Investitionen.
Die Sozialverträglichkeit und die finanzielle Tragbarkeit von Politikinstrumenten erhöhen die gesellschaftliche Akzeptanz. Ist diese nicht gegeben oder wird sie ungenügend kommuniziert, scheitert die Transformation sowohl an der Urne als auch in der Realität. Eine genügend hohe Existenzsicherung und Unterstützung bei der beruflichen Weiterentwicklung sind deshalb unabdingbare Voraussetzungen für eine ambitionierte Klimapolitik.
Eine sektorübergreifende Abgabe auf alle Treibhausgase in Höhe der Klimaschadenskosten verhindert, dass das marktwirtschaftliche System die Klimakrise zusätzlich direkt befeuert.
15 siehe https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2020-12-21_methodenkonvention_3_1_kostensaetze.pdf und als Update https://www.ioew.de/projekt/methodenkonvention_40_grundlagen_fuer_die_aktualisierung_und_erweiterung_der_methodenkonvention_zur_ermittlung_von_umweltkosten_teil_1
Ein Grenzsteuerausgleich auf alle Importprodukte, -dienstleistungen inkl. Tanktourismus in Höhe der Treibhausgasabgabe und eine Befreiung im Export entsprechend der Logik der Mehrwertsteuer setzen starke Anreize an Importeure und schützen den Werkplatz Schweiz gegen Klimapolitik-bedingte Abwanderung. Das Instrument wird so ausgestaltet, dass negative Auswirkungen auf die nachhaltige Entwicklung von Ländern im Globalen Süden vermieden werden.
Die Vorbildrolle der öffentlichen Hand seitens Bund und Kantone (Art 10. des Klimaschutzgesetzes KlG) wird auf alle Gemeinden erweitert, Als ein gemeinsames Umsetzungsinstrument wird ein Online-Shop für Netto-Null-Produkte und -Dienstleistungen erstellt, welcher auch aktiv Ausschreibungen macht und ebenso Privaten zur Verfügung steht.
16 https://climatestrike.ch/posts/cap-1-cross-sectoral-policies#policy-measures_policy-1-4-matterhorn-the-net-zero-purchasing-platform-for-public-purchasing
Bund und Kantone schaffen ihre klimaschädlichen Subventionen und Fehlanreize wie Steuererleichterungen konsequent ab.
In der Öffentlichkeit sichtbare Werbung soll nur noch für Produkte und Dienstleistungen erlaubt sein, welche überdurchschnittlich klimafreundlich, sogenannt “best in service” sind, also deutlich weniger Emissionen ausstossen als der Marktdurchschnitt von Produkten und Dienstleistungen, die den gleichen Nutzwert bieten.
17 Während “best in class” bedeutet, dass es sich um besonders umweltfreundliche Fahrzeuge oder WC-Papier-Sorten handelt, bedeutet “best in service”, dass es die umweltfreundlichsten Mobilitätslösungen oder Hygienelösungen sind. Die Grundbedürfnisse stehen im Zentrum und die Genügsamkeit gewinnt an Popularität.
Die Transition braucht Vorbilder für zukunftsfähiges Verhalten. Bundesrät:innen, Regierungsrät:innen und Gemeinderät:innen übernehmen eine Führungsrolle und verstehen Klimakommunikation als Teil ihres Auftrages.
Die Transformation wird unterstützt durch eine Bildungsoffensive. Arbeitnehmende und Stellensuchende werden mit Aus- und Weiterbildungen unterstützt, die es ihnen erlauben, beruflich Teil der Transformation zu sein. Zudem wird in den Curricula sämtlicher Schulen (inkl. Universitäten) über die nötigen Massnahmen für die rasche Dekarbonisierung, die Klimakrise und die Chancen der Transformation informiert.
Besonders betroffene oder armutsbetroffene und -bedrohte Personen sollen direkt finanziell oder organisatorisch unterstützt werden, um die Gerechtigkeit, Tragbarkeit und Akzeptanz der Schweizer Klimapolitik sicherzustellen und die Transformation sozialverträglich zu gestalten. Dazu wird ein Klimasozialfonds (analog zur EU) eingeführt, gespiesen durch einen Teil der sektorübergreifenden Abgabe auf alle Treibhausgase (siehe Punkt 1 und Kapitel Finanzielle Auswirkungen und Finanzierung).
18 Statt z.B. eine CO2-Abgabe vollständig an die Bevölkerung zurückzuerstatten, sollen die tatsächlich betroffenen Personen direkt unterstützt werden, z.B. mit dem Instrument der Kulturlegi, Umschulungsunterstützung und Transformationsunterstützung für besonders betroffene Branchen.
19 Beispiele: Alleinlebende Personen in zu grossen, aber günstigen Wohnungen oder Häusern sollen unterstützt werden, um kleinere Wohnungen mit Bestandesmieten zu finden. Eine nationale Job- und Wohnungsswitchplattform könnte Pendelkosten verringern und damit die Vulnerabilität gegen Preisaufschläge mindern.
Revision des Kartellrechts: Das Kartellrecht wird dahingehend ergänzt, dass Umweltschutz und Nachhaltigkeit als eigenständige Rechtfertigungsgründe anerkannt und aufgeführt werden. Somit werden sinnvolle Nachhaltigkeitsvereinbarungen nicht weiter als wettbewerbswidrig eingestuft und unterbunden.
Statt Brutstätte virtueller Kryptowährungen zu spielen, soll die Schweizerische Nationalbank SNB (allenfalls zusammen mit anderen Nationalbanken zusammen) eine neue Klimaschutz-Währung rückversichern oder die Privatbanken dazu verpflichten, einen Teil des aufgenommenen Geldes in Klimaschutz zu investieren. So können Klimafinanzierungsgelder generiert werden. Alternativ können auch private Klimaschutz-Währungen unterstützt werden, indem die Nationalbank diese als Parallelwährung stabilisiert. Werden diese vom Markt aufgenommen, können ohne Belastung des Staatsbudgets grosse Summern für den Klimaschutz investiert werden.
20 https://globalcarbonreward.org/ verfolgt Konzepte, die von Kim Stanley Robinson im Roman “Das Ministerium für die Zukunft” als Carbon Coin beschrieben wurden.
21 https://www.carbonismoney.org/ ist bereits in der Schweiz aktiv und könnte mit Verbesserungen spannend sein
Die Produktion in die Schweiz importierter Güter und Dienstleistungen verursacht mit 75 Mio.t CO2eq viel mehr Emissionen als die in der Schweiz verbliebene Produktion. Denn wir importieren insbesondere energieintensive Güter, die mit Energieträgern hoher CO2-Intensität produziert werden, zudem haben wir ein sehr hohes Konsumniveau. In einer Netto-Null-Emissionswelt werden auch die Importe irgendwann klimaverträglich sein. Im globalisierten System mit den heutigen Rahmenbedingungen besteht jedoch der Anreiz, die Produktion in die günstigsten Länder mit den schwächsten (Klima)regeln zu verlagern, was die Dekarbonisierung verlangsamt oder gar ausbremst.
Unser Ziel ist es, dass unsere Konsum- und Importregelungen mithelfen, die weltweite Dekarbonisierung zu beschleunigen, und es attraktiv macht, dass alle Länder Netto-Null-Politiken einführen. Da das Konsumniveau der Schweiz extrapoliert auf künftig 10 Mrd. Menschen viele weitere planetare Grenzen sprengen würde, muss aber auch die Konsummenge sinken. Unser Konsumverhalten und die Anforderungen an noch importierte Produkte entsprechen künftig einem weltweit kopierbaren gerechten System, das die planetaren Grenzen respektiert. Welthandel kann die Effizienz der Produktion erhöhen, darf dies aber künftig nicht mehr mit Sozial- und Ökodumping tun. Hohe Anforderungen an die Kreislaufwirtschaft gehen oftmals auch einher mit einer vermehrt regional/lokal organisierten Wirtschaft.
Die Schweiz ist ein dicht bevölkertes, ressourcenarmes und teures Hochkonsumland und ist deshalb viel stärker von Importen abhängig als die meisten anderen Länder.
Freihandel hat die Schweizer Exportwirtschaft gross und profitabel gemacht und gilt deshalb als ideologisches Credo. Allerdings fehlen Klimaschutzanforderungen.
Die einschlägigen WTO- und GATT-Regeln müssen in Präzedenzurteilen oder klarerer Auslegung so angewandt werden, dass Ökodumping nicht mehr möglich ist.
Der Bundesrat wehrt sich gegen den Grenzsteuerausgleich (CBAM), welchen die EU bereits eingeführt hat, und ignoriert bisher den Systemwechsel weg von Abgabebefreiungen (EHS und CO2-Abgabe) hin zu umfassenden Bepreisungsinstrumenten.
Die CO2-Regulierung der Schweizer Produktion ist uneinheitlich und lückenhaft, weshalb Grenzmassnahmen oftmals protektionistisch wären.
Auch dank Öko- und Sozialdumping sind Importe günstig, sie verhindern oft Regelungen wie die Internalisierung der externen Kosten, welche die heimische Produktion verteuern.
Umweltauflagen werden insbesondere von Nichtindustrieländern oftmals als Protektionismus der fordernden Länder und als Verweigerung des Rechts auf Entwicklung bis hin zu Rückfall auf kolonialistisches Verhalten verstanden.
Die präzise Erfassung und Deklaration der vorgelagerten Emissionen im Ausland ist selten möglich und noch längst nicht flächendeckend eingefordert, weshalb die Transparenz noch ungenügend ist.
Die Lieferkettenregulierung nimmt zwar mittlerweile auch in der Schweiz Fahrt auf, aber echte Anreize, die Lieferkettenemissionen zu reduzieren, gibt es nicht.
Freihandelsabkommen müssen neu umfassende ökologische und soziale Anreize und Bedingungen enthalten oder gekündigt werden. Mit dem Grenzsteuerausgleich (siehe sektorübergreifende Instrumente) und der Negativemissionspflicht (siehe unten) müssen die Handelsabkommen ohnehin neu verhandelt werden.
Auf importierten Gütern soll eine Abgabe auf die grauen Treibhausgase in der Höhe der Klimaschadenskosten eingeführt werden (siehe Sektorübergreifende Instrumente und Finanzierung).
Eine vorgezogene Entsorgungsgebühr für alle Kunststoffe in der Höhe der Vollkosten der Entsorgung über Carbon Capture & Storage (CCS) wird bei inländischer Produktion und an der Grenze erhoben. Die Erträge fliessen ins Kunststoffrecycling und in CCS bei allen Kehrichtverbrennungsanlagen, und die vorgezogene Abgabe trägt zu Minderverbrauch bei.
Emissionsdeklaration, Lieferkettenregulierung und freiwillige Systeme wie die Science Based Target Initiative (SBTi) müssen Hand in Hand gehen und es für Unternehmen und Produktionsländer attraktiv machen, die Dekarbonisierung aktiv voranzutreiben.
Aufbauend auf die neuen Regelungen zur Kreislaufwirtschaft im Umweltschutzgesetz (USG) sollen CO2-Absenkpfade für Gebäude, Anlagen etc. definiert werden, so dass es attraktiv wird, weniger (Neu)material zu verwenden, Bau- und Werkstoffe deutlich klimaverträglicher zu produzieren und die Kreisläufe dort zu schliessen, wo die Gesamtökobilanz positiv ist.
Basierend auf dem Umweltschutzgesetz sollen das Recht auf Reparatur, die Verpflichtung zur Bereitstellung von Reparaturmaterial, der Reparaturindex, die Verpflichtung zur Demontierbarkeit und die Verlängerung der Garantiefristen verpflichtend eingeführt werden.
Gemeinden werden unterstützt, betreute Ausleih- und Reparaturlokale zu schaffen.
Der Bund unterstützt eine bestehende oder neue Internetplattform, welche die effektive Langlebigkeit und Reparierbarkeit von Produkten durch Crowd-Erfahrung erfasst.
Die Neuwertabgabe entspricht einer schrittweise steigenden Abgabe (keine Abgabe, wenn Produkt repariert oder zweitgenutzt werden kann; steigende Abgabe, wenn Güter aus Recyclingmaterial hergestellt werden; höchste Abgabe, wenn Güter aus neuen Rohstoffen hergestellt werden). Die Einnahmen werden zur Förderung von Reparaturen eingesetzt.
Die schweizerische Industrie produziert CO2 frei [CO2-frei]. Sie importiert Güter mit tiefem CO2-Gehalt (Graue Emissionen). Die meisten Produktionsschritte sind elektrifiziert. Einige wenige Prozessschritte, die auf offene Flammen oder auf einen Energieträger mit einem Kohlenstoff-Anteil angewiesen sind (z.B. Oberflächenbehandlungen) werden mit synthetischem Wasserstoff oder synthetischem Erdgas betrieben. Die Nachfrage dafür beträgt aber nicht mehr als 1.5 TWh/a (1/10 des aktuellen Prozesswärmebedarfs). Unternehmen, die grossen Bedarf an Wasserstoff haben, werden in Wasserstoff-Hotspots angesiedelt. Diese Hotspots sind mit dem europäischen Wasserstoffnetz verbunden.
Wichtige Grundstoffe mit heimischer Rohstoffbasis (v.a. Zementindustrie) werden in der Schweiz produziert, die Zementhersteller und auch die Kehrichtverbrennungsanlagenbetreiber lagern das dabei produzierte CO2 in permanenten Tiefenlagerstätten im In- und Ausland ein.
Technische Treibhausgase (wie SF6) tragen kaum mehr zur Treibhausgasbilanz der Schweiz bei und verbleibende Restemissionen werden durch CO2-Entfernung ausgeglichen.
Nicht-fossile Alternativen (z.B. Wasserstoff) sind im Vergleich zu fossilen Brennstoffen oft teurer.
Der Einkauf von Vorstufenprodukten und Rohstoffen mit tieferem CO2-Fussabdruck ist oft teurer gegenüber heutigen klimabelastenden Produkten.
Oft ist nicht klar, welche grauen Emissionen in einem Vorprodukt enthalten sind.
Die Kostenkalkulation verlangt, dass auch auf Emissionsmehrkosten eine Marge aufgeschlagen wird. Dadurch wird das Produkt von Prozessschritt zu Prozessschritt immer teurer. Am Ende ergibt das einen Marktnachteil für die Schweizer Industrie.
Bestehende Produkte werden nur selten klimafreundlicher ausgestaltet. Denn das eiserne Gesetz in der Produktion ist: “Never touch a running system”. Die Gründe dafür sind vielfältig: Grundsätzlich kann mit dem bestehenden Produktions-Setup die Kundschaft zufrieden gestellt werden. Etwas daran zu ändern, bedeutet Unsicherheit und führt oft zu Mehrkosten. Wird ein Produkt überarbeitet, verändern sich allenfalls die Produkteigenschaften, was Reklamationen nach sich ziehen kann. Zudem ist die Zeit der Verfahrensentwicklung die knappste Ressource in der Produktion. Prozessveränderungen sind zeitaufwändig, da danach viele Produkteprüfungen vorgenommen werden.
Energetisches Know-how ist oft nicht die wichtigste Kernkompetenz der Produktionsverantwortlichen. Deshalb werden Klimaschutzmassnahmen hinten angestellt.
Wer bestehende Anlagen, die noch gut funktionieren, durch klimafreundlichere Alternativen ersetzen will, muss diese über eine kurze Laufzeit abschreiben. Deshalb wird die bestehende Anlage nicht ersetzt.
Klimaschutzinvestitionen konkurrieren mit anderen möglichen Investitionen um die Realisierung. Sind die Investitionsmittel beschränkt und weisen andere Investitionen eine bessere Rendite auf, werden Klimaschutzmassnahmen nicht umgesetzt.
Das Wirtschaftsleben ist kurzlebig. Investitionen, die über mehr als fünf Jahre abgeschrieben werden müssen, sind trotz gegebener Rentabilität nicht umsetzbar, weil nicht bekannt ist, ob die Produktion länger als fünf Jahre garantiert ist.
Die Bereitschaft zur Elektrifizierung von Produktionsprozessen bedingt Vertrauen in die Sicherheit der Versorgung mit nachhaltigem, unterbruchsfreiem und günstigem Strom.
Kehrichtverbrennungsanlagen und Zementproduzenten produzieren CO2; sie haben aber keine Verpflichtung zur CO2-Entfernung. Die Mehrkosten können sie nicht auf die Kundschaft abwälzen.
Wird CO2 aus Abfallverbrennung und Zementproduktion in reiner Form durch die Betriebe bereitgestellt, besteht keine Infrastruktur, um dieses CO2 kostengünstig zu lagern.
Wer bei der Dekarbonisierung auf Synfuels setzen will/muss, sieht sich mit hohen Preisen konfrontiert, die im Produkt ev. nicht refinanziert werden können. Zudem sind Synfuels in den kommenden zehn Jahren nur beschränkt verfügbar.
Die Treibhausgasabgabe und der Grenzsteuerausgleich aus den sektorübergreifenden Instrumenten sind hier besonders wichtig, weil Preissignale bei Unternehmen stärker berücksichtigt werden als z.B. bei Haushalten. Auch die Instrumente bei den Konsumgütern beschleunigen die Transformation in der Industrie.
Betreiber von Kehrichtverbrennungsanlagen und Zementproduzenten sind über Branchenvereinbarungen verpflichtet, ihre CO2-Emissionen über Carbon Capture & Storage (CCS) abzuscheiden und sicher zu lagern.
Ein oder maximal zwei Wasserstoff-Hotspots werden in der Nähe von internationalen Anschlüssen realisiert.
Eine Marge auf CO2-Kosten in den Kostenkalkulationen ist verboten.
Signifikante Abrissprämien für fossile Produktionsanlagen beschleunigen die Transformation.
Angebote für Contracting werden durch geeignete Massnahmen wie Risikoabdeckungen etc. gefördert (siehe auch grüne Investitionsbank), um Investitionshürden abzubauen.
CO2-Entfernung ist nur erlaubt, wenn Möglichkeiten zu Reduktion und CCS ausgeschöpft sind.
Die Schweiz realisiert eine staatliche Infrastruktur zum Sammeln und Transportieren von CO2 aus Punktquellen mit dem Ziel, das CO2 in nationalen und ausländischen Speichern zu lagern.
Treibhauswirksame Nicht-CO2-Emissionen (SF6, HFC, PFC etc.) werden verboten, wenn Ersatz vorhanden ist oder soweit reguliert, dass die Treibhauswirkung irrelevant ist.
In der Schweiz sind noch rund eine Million Gebäude fossil beheizt. Bei der Dichte an Ölheizungen gehört die Schweiz weltweit zur unrühmlichen Spitzengruppe. Ein schrittweiser Ersatz der Öl- und Gasheizungen sollte so beschleunigt werden, dass bis 2035 möglichst weitgehend alle Anlagen ausgetauscht wurden. Dies gelingt je nach Verdichtung und (Ab)-Wärmequellen durch den Ausbau von Fernwärmenetzen und den Bau von Wärmepumpenheizungen. Solarthermie und in wenigen Fällen auch Holz ergänzen den Mix. Die verbleibenden Öl- und Gasheizungen werden entweder wenig später ersetzt oder mit (teuren) klimaverträglichen Brennstoffen befeuert.
Bestehende Gebäude werden energetisch modernisiert mit einem Fokus auf die bisher kaum gedämmten Gebäude. Neu- und Umbauten verursachen heute je nach Berechnungsart 60 bis über 100 Prozent der Heizungsemissionen durch die Produktion von Baumaterialien und den Bau. Baumaterialien und -prozesse müssen deshalb klimaverträglicher werden. Bis dies umgesetzt ist, werden Umnutzungen und Umbauten priorisiert und Neubauten soweit möglich zurückgestellt.
Der Raumbedarf nimmt zu wegen gestiegener Kaufkraft, steigender Zahl an Ein-Personen-Haushalten und aufgrund des Bevölkerungswachstums.
Der Investitionsbedarf von Pensionskassen und anderen institutionellen Anlegern führt zu vielen Neubauten mit enormen Treibhausgasemissionen der Baustoff- und Bauwirtschaft.
Zonenplanänderungen, eine massive Steigerung der Landpreise sowie umbau-/modernisierungshemmende Gebäudevorschriften fördern Ersatzneubauten, deren Realisierung enorme Mengen an Treibhausgasemissionen generiert.
Ein Heizsystemwechsel verursacht so oder so erhöhte Anfangsinvestitionen, die freiwillig oft nicht freigemacht werden oder nicht tragbar sind.
Ein Heizsystemwechsel erfordert oft mehr Bewilligungsschritte und somit auch mehr Zeit als ein 1:1-Ersatz.
Bestehende Heizsysteme können durch Reparatur oder Brennerersatz sehr hohe Lebensdauer erreichen.
Für die laufende Optimierung von Heizung und Haustechnik sowie die korrekte Einstellung der Wohnungstemperaturen ist in Mietliegenschaften oft niemand zuständig oder das Wissen fehlt.
Wenn neu 100'000 Heizsysteme pro Jahr umgebaut werden müssen, sind zusätzliche Arbeitskräfte für diese Tätigkeit nötig.
Installationsbetriebe offerieren und installieren gerne Öl- und Gasheizungen, weil sie sich darin auskennen, und Heizungsunternehmen profitieren gerne von sehr teuren/lohnenden und sicheren Serviceabos.
Bei Mietliegenschaften profitiert nach einer Umstellung des Heizsystems die Mietpartei von neu tieferen Heizkosten, aber die Hauseigentümerschaft bezahlt Investitionen und muss die Miete erhöhen, wenn sie diese weitergeben will.
Die Bau(stoff)industrie hat nur wenige Anreize zur Dekarbonisierung und wenig Schutz gegen CO2-intensive Importprodukte.
In der Baugesetzgebung herrscht ein Flickenteppich mit uneinheitlichen und zu wenig wirksamen kantonalen Regulierungen.
Umzugswillige haben Vorrecht auf kleinere Wohnungen in Bestandesmiete (statt Marktmiete) oder/und fachliche/bauliche Unterstützung für den Umbau von Einfamilienhäusern hin zu Gebäuden für Wohngemeinschaften sowie zu Mehrgenerationenhaushalten mit genügend Privatsphäre.
Baufachleute werden in einem Impulsprogramm von Neubau auf Umbau und Heizungsersatz weitergebildet. Dank Neustrukturierung der Bauprozesse werden neue Kapazitäten geschaffen.
22 https://ohkw.de/, durch Fachverbände und SIA anzustossen und durch kantonale und nationale Weiterbildungsprogramme zu unterstützen.
Analog zu den Kantonen Basel-Stadt und Zürich muss der Einbau neuer Gas- oder Ölkessel im Grundsatz ausgeschlossen werden, was auch auf Bundesebene mit einem Emissionsstandard technologieneutral gemacht werden kann.
Zeitlich befristete Förderprogramme und Bürgschaften für einen erleichterten Zugang zu Hypotheken machen Heizsystemwechsel und Dämmung schlechter Gebäude attraktiv und möglich.
Spezifische und zeitlich abnehmende CO2-Grenzwerte für Lebenszyklus-Emissionen bei Neubauten schaffen einen Markt für klimaverträgliche Baumaterialen und -prozesse und fördern die Kreislaufwirtschaft (z.B. analog zu Dänemark oder Frankreich).
Eine schrittweise Sanierungsfrist für ältere Heizungen wird eingeführt: >25 Jahre bis 2028, >20 Jahre bis 2030, >15 Jahre bis 2032, >10 Jahre bis 2034, alle bis 2035. In Ausnahme- und Härtefallen müssen ab 2035 die Heizungen mit erneuerbaren Brennstoffen betrieben werden.
Nötig ist ein Sanierungsgebot für Gebäude mit GEAK F bis 2040 und G bis 2035 mit sofortiger Anpassung der Nebenkostenregelung bei Vermietung schlecht gedämmter Gebäude: pro m2 beheizte Gebäudefläche übernimmt Vermieter x Fr Nebenkosten pro Jahr oder Vermieter übernimmt CO2-Abgabe.
Leerkündigungen bei energetischen Sanierungen sind unnötig und werden wegen des drohenden Wechsels von Bestandes- zu Marktmiete untersagt.
Die Betriebsoptimierung der Haustechnik wird Pflicht und kann entweder im fixen Zyklus erfolgen (analog zur heutigen Emissionsprüfung) oder anhand von ferngemessenen Energieverbrauchsdaten ausgelöst werden.
Trotz rekord-gutem Bahnangebot steht die Schweiz beim Klimaschutz im Verkehr besonders schlecht da. Die nach wie vor CO2-intensivste Fahrzeugflotte Europas, trotz dichter Besiedlung lange Pendlerstrecken und der zunehmende Freizeitverkehr verhindern, dass der CO2-Ausstoss des Strassenverkehrs zurückgeht (seit 1990 nur 5%ige-Abnahme). Die Zunahme an zurückgelegten Kilometern hat in den letzten 30 Jahren die Effizienzgewinne der Verbrennungsmotoren fast vollständig zunichtemacht.
In der Transformation nehmen die Mobilitätsbedürfnisse stark ab, weil vielerorts Arbeiten, Ausbildung, Freizeit und Einkaufen innerhalb von 15 Minuten Reisezeit stattfinden. Platzsparende, energieeffiziente Verkehrsmittel (zu Fuss, Velo, öV und Motorrad) sind in Agglomerationen im Vorteil, erneuerbare Antriebsenergie ist ab 2030 überall der Normalfall.
Neue Fahrzeuge stossen ab sofort kein CO2 mehr aus. Bestehende fossil betriebene Fahrzeuge legen immer weniger Kilometer zurück, weil die Treibstoffkosten durch die Treibhausgasabgabe stark steigen und auch die Strassenverkehrskosten zunehmend distanzabhängig verrechnet werden.
Die Verkehrsflächen werden der klimaverträglichen Nachfrage angepasst. Da hierzu auch die vorgelagerten Emissionen der E-Mobilität berücksichtigt werden, müssen Personen- und Gütertransport so effizient wie möglich erfolgen. Die Massnahmen in den verschiedenen Handlungsfeldern wirken sich auch auf einen sinkenden Bedarf an Gütertransport aus.
Pendler- und vor allem Freizeitverkehr mit Start oder Ziel in Agglomerationen finden in effizienten und flächensparenden Verkehrsmitteln statt (insbesondere öV, Carpooling oder E-Bike statt im eigenen Fahrzeug). Für Destinationen im ländlichen Raum sind zeitlich attraktive Umsteige- bzw. Umlademöglichkeiten mit oder ohne Verkehrsmittelwechsel vorhanden, so dass meist nur noch die letzte Meile im teilweise noch fossilen LKW oder eigenen Fahrzeug erfolgen muss.
Der Betrieb der restlichen bis 2035 noch nicht ersetzten Verbrennungsmotoren mit teuren und ineffizienten erneuerbaren, synthetischen Treibstoffen, CO2-Entfernung und die Ausserverkehrssetzungspflicht für bestehende fossil betriebene Fahrzeuge stellen sicher, dass auch der Landverkehr sein Netto-Null-Ziel bis 2035 erreicht.
Autokauf und Treibstoffpreise sind real billiger geworden, öV-Preise sind hingegen stärker angestiegen als die Teuerung.
Solange das Einpreisen von Klimaschäden und eine Lenkungsabgabe fehlen, werden im Personenverkehr individuelle Entscheide getroffen, die nicht ausreichend effizient sind (wachsende Nachfrage v.a. im Freizeitverkehr, Anschaffung übermotorisierter Fahrzeuge).
Die Notwendigkeit einer ambitionierten Neuwagenpolitik für die Erreichung des Netto-Null-Ziels wird unterschätzt. Ein Neuwagen bleibt im Durchschnitt während 14 Jahren auf Schweizer Strassen (inkl. Occasionsverkauf), ehe er auf ausländischen Strassen weiterfährt.
Plug-in Hybrid-Fahrzeuge führen in der Realität zu einer grösseren Klimabelastung als auf dem Papier. Ihre Besitzer:innen laden kaum je Strom, sondern nutzen aus Gewohnheit meist den Verbrennungsmotor.
Die Raumplanung und Verkehrsplanung sind schlecht aufeinander abgestimmt. Die Siedlungsplanung orientiert sich stark an den Bedürfnissen des Autoverkehrs (z.B. Aufteilung des Strassenraums, Parkplatzerstellungspflicht für Wohnbauten).
Der Kauf von Elektroautos scheitert am häufigsten daran, dass Parkplätze zu Hause oder am Arbeitsplatz nicht mit Ladestationen ausgerüstet sind.
Ein Elektroauto zu fahren gilt als teurer, obwohl es billiger ist.
Die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe LSVA und das Landverkehrsabkommen Schweiz-EU sind im Gegensatz zur EU noch immer auf Luftschadstoffe statt CO2-Emissionen ausgerichtet.
Die öffentlichen Verkehrsmittel und die Veloinfrastruktur werden bei den bestehenden Finanzierungsgefässen des Strassenverkehrs dem Individualverkehr zumindest gleichgestellt: Baureife Agglomerationsprogrammprojekte werden nicht mehr zurückgestellt (Zweckbindung für mehr als 12% der NAF-Einnahmen), Veloinfrastrukturen ausserhalb von Agglomerationen werden über die Spezialfinanzierung Strassenverkehr finanziert. Der Betrieb von E-Rufbussen im ländlichen Raum ist über den Kredit für öffentlichen Regionalverkehr finanzierbar.
Eingeführt ist eine CO2-Abgabe ohne Rückverteilung für Treibstoffe in der Höhe der Klimaschadenskosten mit Grenzausgleichmechanismus zur Vermeidung von Tanktourismus ins Ausland.
Eine zusätzliche Lenkungsabgabe mit Rückverteilung erhöht die Lenkungswirkung. Die Rückerstattung kann für bestimmte Teile der Bevölkerung (je nach Wohnort, Beruf oder sozialer Schicht) auch überproportional ausfallen.
Das Raumplanungsgesetzes verpflichtet die Kantone in ihrer Richtplanung zu einer Planung, mit der zumindest im städtischen Raum und in zentrumsnahen Agglomerationen Pendlerwege für Arbeit, Einkauf und Ausbildung auf i.d.R. 15 Minuten verkürzt werden können (mit Umsetzungsfrist und der nicht mehr Bewilligungsfähigkeitvon Neubauten in Kantonen, die das Ziel verfehlen).
Für intensiv genutzte Verkehrsinfrastrukturen wie z.B. Autobahnabschnitte ist eine mindestens punktuelle Bepreisung oder Zugangsbeschränkung einzuführen (analog der verfassungskonformen Benutzungsgebühr für den Tunnel des Grossen St. Bernhards oder Zeitfenster-Reservationssystem z.B. für den Gotthardtunnel).
Der Pendlerabzug bei den Steuern wird abgeschafft oder zumindest wird ein (optionaler) Berufskosten-Pauschal-Abzug unabhängig vom Pendlerverhalten analog dem Kanton Bern eingeführt. Die Arbeit im Homeoffice wird steuerlich und arbeitsrechtlich nicht mehr verhindert.
Sharing-Angebote und Carpooling (z.B. getrennte Fahrspuren) werden gefördert.
Fossile Personenwagen dürfen ab 2030 nur noch in Ausnahmefällen neu in Verkehr gesetzt werden. Die entsprechenden Anreize können entweder mit einer ambitionierteren Ausgestaltung des bestehenden Instruments für Neuwagenflotten (durchschnittlich 20g CO2/km, d.h. ¾ rein elektrisch) oder mit einem zur aktuellen Flottenregulierung zusätzlichen finanziellen Malus pro Fahrzeug wie in Frankreich gesetzt werden.
Personenwagen und Nutzfahrzeuge mit Verbrennungsmotor werden ab 2035 entweder vollständig mit erneuerbaren synthetischen Treibstoffen betrieben oder ihre Emissionen sind durch CO2-Entfernung kompensiert. Beim Kaufentscheid von Neuwagen und Occasionen sind diese Anforderungen ab sofort zu kommunizieren.
Ab sofort dürfen Mieter:innen und Stockwerkeigentümer:innen nicht mehr daran gehindert werden, Ladestationen in Eigenregie zu installieren, denn auch spätere Elektroautokäufer:innen profitieren davon. Spätestens 2028 müssen Mieter:innen einen Anspruch auf einen Parkplatz mit Ladestation geltend machen können, allenfalls in Kombination mit einer gewissen Entschädigung für Vermieter:innen.
Die LSVA-Tarife sind stark von den verursachten CO2-Emissionen abhängig.
Die LSVA ist auf Lieferwagen ausgeweitet, da Lieferwagen ihre externen Kosten und Klimaschäden nicht decken und die Fahrleistung von Lieferwagen stark zugenommen hat und weiter zunehmen wird
Der Luftverkehr ist für 11% der CO2-Emissionen in der Schweiz verantwortlich. Ein Flugzeug stösst aber auch andere Schadstoffe aus, die das Klima beeinflussen, wie Wasserdampf und Stickoxide. Die Wissenschaft empfiehlt für die Berücksichtigung der Nicht-CO2-Gase die CO2-Emissionen um den Faktor 3 zu multiplizieren. Somit ist der Luftverkehr für 27% der Klimabelastung in der Schweiz verantwortlich und damit der klimaschädlichste Sektor überhaupt.
Verschiedene Massnahmen werden es ermöglichen, den Luftverkehr an den Klimazielen auszurichten. Zunächst wird die Nachfrage nach Flugreisen sinken, u.a. weil das allgemeine Bewusstsein in der Bevölkerung für die negativen Auswirkungen eines einfachen Fluges auf unsere Klimabilanz steigt, aber auch, weil Flugticket- und Flugfrachtpreise stark steigen und sich alternative Verkehrsmittel für kurze und mittlere Strecken immer mehr entwickeln. Auf der anderen Seite wird der verbleibende Flugverkehr bis 2035 vollständig dekarbonisiert, vor allem durch den Einsatz synthetischer Kraftstoffe, aber auch mit Hilfe anderer technischer Lösungen. Gleichzeitig werden die Klimaauswirkungen der verbleibenden Nicht-CO2-Emissionen durch den Einsatz von CO2-Eliminierungstechnologien bis 2050 ausgeglichen.
Das Ausmass des Flugverkehrs wird bis zum Jahr 2050 durch das Emissionsbudget bestimmt werden, für welches die Schweiz sich entscheidet, sowie durch die Verfügbarkeit von technischen Lösungen. Mittelfristig werden diese nur in begrenzter Anzahl verfügbar sein, was bedeutet, dass der Flugverkehr stark zurückgehen muss, damit die Klimaziele erreicht werden können.
Derzeit zielt die Luftverkehrspolitik hauptsächlich darauf ab, einen Rahmen zu schaffen, um die Nachfrage nach Flugreisen zu befriedigen, ohne dass mit den Klimazielen vereinbare Wege zur Emissionsreduktion konsequent in Betracht gezogen werden.
Flugtickets sind sehr günstig. Grund dafür sind steuerliche Privilegien – der internationale Flugverkehr unterliegt weder der Treibstoffsteuer noch der Mehrwertsteuer noch der CO2-Abgabe –, auch sind die Arbeitsbedingungen für das Personal der Fluggesellschaften oft prekär. Aus diesen Gründen nimmt der Flugverkehr mit seinen Klimaauswirkungen kontinuierlich und rasant zu.
Günstige Flugtickets verschaffen dem Flugverkehr einen unangemessenen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen, weniger umweltschädlichen Alternativen wie dem Zug, wodurch deren Entwicklung behindert wird.
In einem wohlhabenden Land wie der Schweiz gibt es viele Gründe, warum die Luftfahrt ein fester Bestandteil des Alltags vieler Menschen ist. So gilt es etwa als normal, einen Teil des Studiums im Ausland zu absolvieren; die Schweizer:innen wollen die Welt entdecken; Reiseerfahrungen werden oft als starker Indikator für den sozialen Status angesehen; viele Menschen haben Angehörige, die über die ganze Welt verstreut leben; manche wirtschaftliche Aktivitäten erfordern eine Reise ins Ausland.
Es ist nicht leicht, mit den menschlichen Sinnen zu spüren, wie stark die Klimaauswirkungen einer Flugreise sind und was das für den individuellen Klimafussabdruck bedeutet. Dies ist einer der Gründe, warum es schwierig ist, nur an die Eigenverantwortung zu appellieren.
Gemäss den Einschätzungen der Luftfahrtindustrie werden elektrische und mit Wasserstoff betriebene Flugzeuge bis 2050 nur in geringer Anzahl zur Verfügung stehen. Zudem werden sie klein und auch nur für Kurz- oder Mittelstreckenflüge geeignet sein. Sie werden also nur einen geringen Einfluss auf die Luftfahrt haben, umso mehr als diese nach wie vor zunimmt.
Die Produktion nachhaltigen Lufttreibstoffs (SAF Sustainable Aviation Fuel) ist mit zahlreichen Problemen konfrontiert. Einerseits sind Biotreibstoffe, die aus nachhaltigen Abfällen hergestellt werden und nicht mit der Nahrungsmittelproduktion konkurrieren, nur begrenzt verfügbar; andererseits befinden sich Elektro- und Solartreibstoffe noch in der Pilotphase, und die grosse Menge an Energie, die für deren Produktion benötigt wird, ist auch in anderen Branchen stark gefragt. Hinzu kommt, dass SAF die Nicht-CO2-Emissionen nur teilweise reduziert.
Die Menge an Flugfracht nimmt zu, weil diese zu billig ist, die Transportgeschwindigkeit im Zeitalter globaler Online-Händler und tieferer Lagerhaltung ein Verkaufsargument ist und weil alternative Transportmittel teurer und unsicherer geworden sind (z.B. Suez Kanal, Panama-Kanal etc.).
Die Prioritäten der Schweizer Luftfahrtpolitik werden neu definiert (LUPO, Konzeptteil des SIL), insbesondere durch die Festlegung eines CO2-Budgets sowie durch die Festlegung des Weges zur Emissionsreduktion.
Es gilt das Verursacherprinzip. Allerdings hängt die Abschaffung gewisser Steuervorteile (Kerosinsteuer, Mehrwertsteuer) in der internationalen Luftfahrt nicht nur von der Schweiz ab. Deshalb muss für Flüge ab der Schweiz eine Abgabe auf Flugtickets und Fracht eingeführt werden, die aufgrund der durch den Flug verursachten Emissionen und unter Berücksichtigung von Distanz und Beförderungsklasse kalkuliert wird.
Der Weg zur Erreichung des Netto-Null-Ziels bis 2035 ist vorgezeichnet. Das verbleibende CO2-Budget wird auf die Flughäfen aufgeteilt; diese müssen ihrerseits für eine faire und sozial gerechte Aufteilung der noch möglichen Abflüge sorgen. Diese Massnahme wird dazu führen, dass Entwicklung und Nutzung technischer Lösungen beschleunigt werden.
Auch für die Reduktion bis 2050 der Nicht-CO2-Emissionen ist der Weg vorgezeichnet. Teilweise ermöglichen technische Lösungen diese Reduktion; die Klimaauswirkungen der restlichen Nicht-CO2-Emissionen werden dank CO2-Entnahme-Technologien kompensiert.
Die Entwicklung alternativer Transportmittel beschleunigt sich. Das Ziel von beinahe 80% der Reisenden, die in Schweizer Flughäfen starten, liegt in Europa. Hier geht es darum, ihnen vielfältige, zuverlässige ÖV-Angebote zu machen. Auch das System der Reisebuchung und Reisemitverfolgung muss stark vereinfacht und verbessert werden.
Die Bevölkerung ist für die Auswirkungen des Flugverkehrs auf das Klima zunehmend sensibilisiert. Das CO2-Gesetz schreibt vor, dass ab 2025 in der Werbung für Flugreisen auf die Klimawirkung der Flüge hingewiesen werden muss. Dieser erste Schritt in Richtung Transparenz muss durch gross angelegte Sensibilisierungsprogramme der zuständigen Bundesämter sowie durch unmittelbar sichtbare Informationen auf den Buchungsseiten für Flugreisen ergänzt werden.
Das Personal der Flug- und Tourismusbranche, das vom Abbau im Flugverkehr betroffen sein wird, muss unterstützt werden. Die Menschen müssen finanzielle Hilfe sowie Möglichkeiten zur beruflichen Umschulung bekommen.
Die Schweizer Landwirtschaft verursacht rund 6 Mio.t CO2eq pro Jahr. Dazu kommen die Treibhausgasemissionen durch importierte Lebensmittel, so dass die Ernährung für rund einen Viertel des ökologischen Fussabdrucks der Schweizer Haushalte verantwortlich ist.
23 https://www.bs.ch/pd/kantons-und-stadtentwicklung/grundlagen/nachhaltige-ernaehrung
Emissionsreduktionen im Ernährungssystem erfordern grundlegende Veränderungen in Produktion, Konsum und Verarbeitung. Ziel ist eine vielfältige, klimaschonende Landwirtschaft nach agrarökologischen Prinzipien, die Böden schützt, Biodiversität stärkt und auf chemisch-synthetische Pestizide verzichtet. Die verbleibende Tierhaltung soll Grasland nutzen, während Wassermanagement und Agroforstsysteme die Resilienz gegenüber dem Klimawandel erhöhen. Eine pflanzenbasierte Ernährung und weniger Food Waste sind entscheidend. Supermärkte fördern umweltfreundliche, lokale Konsumoptionen und minimieren Lebensmittelverschwendung. Dabei muss die Wertschöpfungskette fair gestaltet sein, damit Bäuer:innen eine sichere Existenzgrundlage haben und eine gesunde und klimafreundliche Ernährung für alle möglich ist.
Die Landwirtschaft wird weiterhin insbesondere Lachgas- und Methanemissionen verursachen. Technologien zur CO2-Entfernung sind somit nötig, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen.
In der Schweiz fehlt die Politikkohärenz: Klima- und biodiversitätsschädliche Subventionen, z.B. Absatzförderung, führen zu Fehlanreizen und Marktverzerrungen. Weiterhin fördert das aktuelle Direktzahlungssystem einen Flickenteppich von Massnahmen, die keine Synergiegewinne ermöglichen, sondern auf den einzelnen Höfen Massnahmen fördern, die sich gegenseitig in ihrer Klima- oder Biodiversitätswirkung wiederum aufheben.
Die Wertschöpfungskette ist nicht transparent: Durch die Marktmacht u.a. der Grossverteiler bestimmen oft sie, wer wie viel für ein Produkt erhält. Dies widerspiegelt jedoch oft nicht die wahren Kosten im Ernährungssystem und führt zu Fehlanreizen und damit sowohl auf Produktions- als auf Konsumseite zu nicht nachhaltigen Entscheidungen.
Ein Grossteil der Wertschöpfung in der Schweizer Landwirtschaft basiert auf der tierischen Produktion, u.a. weil drei Viertel der Bundessubventionen direkt oder indirekt diese generiert. Dieses Prinzip wird nicht nachhaltig und sozialverträglich transformiert, um Produzent:innen eine Umstellung ihres Betriebssystems zu ermöglichen. Langfristige Investitionen und damit Verschuldung, vor allem in Tierhaltung und Stallbau, führen zu einer essentiellen Bedeutung der Tierhaltung für die wirtschaftliche Stabilität der Betriebe.
Das Landwirtschaftssystem ist träge und Veränderungen, Innovationen und Systemwechsel sind schwierig: Direktzahlungssystem, welche die Bäuer:innen in Abhängigkeiten bringt, veraltete Inhalte in der landwirtschaftlichen Aus- und Weiterbildung und der Forschung, Interesse wichtiger Akteure in und um die Landwirtschaft am Status Quo, die von der intensiven Landwirtschaft profitieren, z.B. über externe Inputs wie Dünger, Pestizide und Futtermittelimporte. Die Auswirkungen einer landwirtschaftlichen Transformation zeigen sich zudem erst Jahre nach Implementierung alternativer Systeme, Praktiken und Methoden.
Viele Ernährungsgewohnheiten sind kulturell verankert. Durch das Festhalten an traditionellen Ernährungsgewohnheiten, wie z.B. solchen, die auf tierischen Produkten basieren, wird eine Transformation erschwert. Es braucht eine neue Norm für die Ernährung, sodass die klimafreundliche Wahl im Restaurant und zu Hause auf dem Teller normal wird.
Die Auswirkungen auf das Klima jedes Produktes im Schweizer Ernährungssystem werden dank einer breit eingeführten Treibhausgasabgabe inkl. Grenzsteuerausgleich im Preis für die Konsument:innen widergespiegelt. Dies fördert lokale und saisonale, hauptsächlich pflanzliche Ernährung. Produkte, die klimaschädlich im fernen Ausland produziert werden, können so nicht mehr mit lokaler Produktion konkurrieren, und gesunde und klimaverträgliche Ernährung wird für alle erschwinglich, da diese Preise sinken, wohingegen die Preise für klimaschädliche Produkte steigen. Produzent:innen erhalten faire Preise, die eine zukunftsfähige Landwirtschaft ermöglichen.
Klima- und biodiversitätsschädigende Subventionen wie z.B. die Absatzförderung tierischer Produkte sind abgeschafft.
Die Direktzahlungen, die aktuell zugunsten der Tierhaltung ausgestaltet sind, werden hin zur pflanzlichen Ernährungsproduktion umgelagert. Das aktuelle Direktzahlungssystem wird ersetzt durch Zahlungen für klimafreundliche Ökosystemdienstleistungen und agrarökologische Leistungen. Agroforst- und Wassermanagement-Systeme werden flächendeckend eingeführt und gefördert.
Ein Transformationsfonds finanziert die Anpassung der bäuerlichen Produktion und die Landwirt:innen werden durch betriebliche Beratung begleitet.
Mit einer verbindlichen Zielvorgabe vom Bund werden Detailhändler und Gemeinschaftsgastronomie verpflichtet, ihr Sortiment an die Klimaziele anzupassen und besonders klimaschädliche Produkte nicht mehr anzubieten. Stattdessen werden sie angehalten, pflanzliche, lokale und saisonale sowie aus ökologischer Landwirtschaft stammende Produkte vergünstigt anzubieten, zu bewerben und entsprechend zu platzieren. Food Waste wird durch eine Food-Waste-Steuer auf Ebene der Konsument:innen verhindert: Bereits eine minimale Abgabe auf Food Waste senkt diesen um 20%. Detailhändler werden durch ein handelbares Zertifikatssystem von Food Waste zu einer Minimierung angehalten.
24 https://ieep.eu/wp-content/uploads/2024/06/Addressing-Food-Waste-in-the-retail-sector-IEEP-2024-1.pdf
Aus den Einnahmen der Treibhausgasabgabe wird die Wiedervernässung der 1000 ha drainierten Hochmoorflächen finanziert.
Ein Lieferkettengesetz stellt sicher, dass importierte Lebensmittel unter nachhaltigen Bedingungen produziert werden, um „Verlagerungseffekte“ zu vermeiden, bei denen Emissionen ins Ausland verlagert werden. Der Import von klimaschädlichen Produkten wird mit dem Grenzsteuerausgleich minimiert.
Die landwirtschaftliche Forschung und Ausbildung ist auf klimaschonende, resiliente und agrarökologische Anbaumethoden und -systeme ausgerichtet. Die Entwicklung und Anwendung neuer Technologien zur Verbesserung der Ressourceneffizienz (z.B. wassersparende Bewässerungssysteme), zur Nutzung und (Weiter-)Entwicklung von robusten Sorten unter Schutz des bäuerlichen Erbes und geistigen Eigentums sowie von technischen Tools wie Maschinen für Agroforstsysteme oder Mischkulturen werden gefördert.
Die bisherige stark auf fossile und nukleare Energien abgestützte Energieversorgung setzt bis 2035 auf 100% erneuerbare Energien. Dies ist möglich dank einer höheren Elektrifizierung und eines Umstiegs auf erneuerbare Brenn- und Treibstoffe (z.B. für die Luftfahrt), die auch künftig teilweise importiert werden. Besonders hoch ist dieser Bedarf im Bereich Luftfahrt, und er kann nicht durch inländische Produktion abgedeckt werden. Der laufende Prozess, in dem Hunderttausende von kleinen und mittleren Solarkraftwerken gebaut werden, verändert die Anforderungen an Netze und Speicher. Das Smart Grid, das neben der Stromproduktion auch die Verbraucher wie Gebäude und Elektromobilität integriert, wird von der Kür zur Pflicht.
25 https://energiewende2035.umweltallianz.ch/
Um die Akzeptanz dieser Energiewende hochzuhalten, werden Biodiversitäts-, Landschafts- und Heimatschutz berücksichtigt und wo möglich gestärkt. Ein breiter Mix von erneuerbaren Energien wird genutzt, um die Resilienz des Stromsystems zu erhöhen. Optisch werden vor allem die veränderte Gestaltung von Dächern, Fassaden und Infrastrukturen ins Auge fallen. Gezielte Netzausbauten und eine neue Generation von Transformatoren werden vorangetrieben, um der erhöhten Stromnachfrage und den veränderten Produktionsprofilen gerecht zu werden.
Statt neue Reservekraftwerke zu bauen, werden die Mittel in die Energiewende investiert und die bestehenden Möglichkeiten von Nachfragesteuerung und vorhandene Speicher- und Produktionskapazitäten genutzt.
Jedes Jahr neue Flächen auf Gebäuden/Infrastrukturen für den Zubau von 2.5 GW Photovoltaik zu bekommen, ist anspruchsvoll, weil viele Hausbesitzer:innen den Aufwand scheuen, die finanziellen Mittel nicht flüssig haben oder sich nicht für 30 Jahre festlegen wollen.
Wenn Netzanpassungen und bidirektionale Transformatoren zu spät realisiert werden, können neue Kraftwerke nicht oder nur verzögert ans Netz gehen.
Mangels strategischer Umweltprüfung sowie aufgrund fehlender Biodiversitätserhebungen und ungenügender Umweltverträglichkeitsberichten (UVB) werden zu viele gesetzeswidrige Projekte entwickelt oder Projekte zu spät optimiert.
Bewilligungsverfahren für Kraftwerke und Infrastrukturen dauern in der Schweiz meist zu lange, auch weil Behörden und Gerichte pro Verfahrensschritt sehr viel Zeit brauchen.
Die Chance, durch die Sanierung bestehender Wasserkraftwerke und durch Gewässerkorrekturen den kritischen Zustand unseres aquatischen Systems zu verbessern, wird zu wenig genutzt. Grund dafür sind langsame kantonale Planungen und zu wenig Unterstützungsmittel aus dem nationalen Sanierungstopf.
Die potenziell riesige Menge an Elektroautobatterien kann nur netzdienlich eingesetzt werden, wenn die Batterien auch in Mietliegenschaften möglichst oft am Netz sind sowie möglichst bidirektional betrieben werden und wenn über dynamische Tarife die richtigen Anreize gesetzt werden. Die Voraussetzungen hierzu sind heute nicht gegeben.
Wenn sich Fachkräfte und Bewilligungsinstanzen mit neuen thermischen Reservekraftwerken (Gaskraftwerke) beschäftigen, fehlen diese Personen für die Energiewende.
Diskussionen um neue Atomkraftwerke lenken Entscheidungsträger:innen sowie die Bevölkerung vom wichtigen Ausbau der erneuerbaren Energien ab. Sollten Atomkraftwerke subventioniert werden, würde das Geld bei der Finanzierung der erneuerbaren Energien fehlen und deren Ausbau sabotiert.
Analog zur EU sollen Solarstandards eingeführt werden. Grosse Flächen auf Nicht-Wohngebäuden, Parkplätzen und weiteren Infrastrukturen sowie auf Wohngebäuden sollen dabei bei Neu- und Umbau priorisiert und so festgelegt werden, dass ein gleichmässiger Zubau von rund 2.5 GW pro Jahr stattfindet.
Es braucht klare Anforderungen mit wirksamen Sanktionen an alle Verteilnetzbetreiber, um ihre Infrastruktur zukunftsfähig anzupassen und Anschlussverzögerungen zu verhindern.
Die Standards für die Festlegung von kantonalen Eignungsgebieten und die Minimalanforderungen an Umweltverträglichkeitsberichte sind erhöht.
Die Abgaben zu Gunsten von Gewässersanierungen sind angepasst, damit die Finanzierung gesichert ist.
Das Recht auf Laden von Elektroautos ist eingeführt und bidirektionales Laden ist tariflich und durch Förderung attraktiv.
Netzdienliche dynamische Tarife mit Preisabsicherung stellen transparente und sozial gerechte Rahmenbedingungen für Konsument:innen sicher. Zudem sorgen sie für eine Nachfragesteuerung, welche teure Kapazitätserweiterungen im Verteilnetz verhindert/reduziert.
Es erfolgt keine direkte oder indirekte öffentliche Förderung von neuen thermischen Reservekraftwerken inklusive neuer und bestehender Atomkraftwerke.
Der Schweizer Finanzsektor als Ganzes ist Teil der Lösung für die weltweite Transformation. Mit ihren Investitionen sind die Schweizer Finanzakteure mitverantwortlich für weltweite Emissionen, die das rund 14- bis 18-fache der hiesigen Inlandemissionen betragen. Darum haben wir mit dem Schweizer Finanzplatz und den Finanzflüssen (Investitionen, Finanzierungen, Versicherungen etc.) einen sehr grossen Hebel im Ausland.
26 McKinsey-Studie 2022 https://www.mckinsey.com/ch/~/media/mckinsey/locations/europe%20and%20middle%20east/switzerland/our%20insights/klimastandort%20schweiz/klimastandort-schweiz.pdf
Rechtliche Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Normen machen Investitionen, Kredite und Versicherungsdienstleistungen für zukunftsfähige und klimaverträgliche Projekte und Unternehmen attraktiv. Der Schweizer Finanzplatz steigt aus Geschäften mit fossilen Energien aus.
Die Schweiz fördert und schützt nur noch nachhaltige Direktinvestitionen im Ausland und fordert dabei konsequent und explizit die Rücksicht auf Menschenrechte und Umweltschutz in den Partnerländern ein.
Der Schweizer Finanzsektor finanziert die Transformation der Realwirtschaft kurz- und mittelfristig, im Wissen, dass eine ungeordnete oder zu späte Transformation die Gesellschaft langfristig viel teurer zu stehen kommt und dass die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Finanzplätzen im “Race to the Top” ohne griffige Massnahmen mittelfristig abnehmen wird.
Die Schweiz lässt die fruchtlose Diskussion, ob der erste Schritt durch die Real- oder Finanzwirtschaft erfolgen soll, hinter sich und fokussiert auf die transformierenden Kräfte und Instrumente.
Es fehlen verbindliche Vorgaben wie auch unabhängige Überprüfungs- und Sanktionsmechanismen: Die aktuelle Regulierung des Bundes zur Nachhaltigkeit im Finanzsektor setzt vorwiegend auf freiwillige Massnahmen und Selbstregulierungen der Branche sowie auf Empfehlungen zur Schaffung von Transparenz und Offenlegung (z.B. PACTA-Klimaverträglichkeitstests, Swiss Climate Scores, etc.). Diese reichen nicht aus und es herrscht Orientierungslosigkeit - auch im Hinblick auf die dynamischen EU-Regulierungsentwicklungen zur Nachhaltigkeit im Finanzsektor.
Viele Finanzmarktakteure sehen aufgrund fehlender Verantwortungsvorgaben für Unternehmen und ihre Führung keinen Zusammenhang zwischen ihrer Tätigkeit und den Auswirkungen auf Klima und Umwelt.
Die bestehenden regulatorischen Vorgaben im Finanzmarkt- und Aktienrecht unterstützen kurzfristiges Denken (z.B. Gewinn-/Verlustreporting pro Quartal). Das wichtige Vorsorgeprinzip hat keinen Stellenwert in der Finanzmarktregulierung. Auch Verträge, etwa im Versicherungsbereich, sind oft kurzfristiger Natur und verhindern so im Schadensfall umweltfreundliche Varianten, die mit höheren Anfangsinvestitionen verbunden sind.
Es besteht eine mächtige und erfolgreiche Lobby für Deregulierung und gegen staatliche Vorgaben und Massnahmen im Finanzsektor. Viele Finanzmarktteilnehmer:innen beklagen und bekämpfen neue Massnahmen aus Angst vor einer wachsenden Bürokratie und generell mehr Aufwand für Berichterstattung und Transparenz.
Mit steigendem Umweltbewusstsein und wachsender Nachfrage seitens Kundschaft für grüne und nachhaltige Anlagen ist das Risiko von Greenwashing im Finanzsektor gestiegen. Effektive staatliche Massnahmen gegen Greenwashing hat die Finanzbranche bisher erfolgreich verhindert.
Für grüne Investitionen bestehen bisher nicht die richtigen Rahmenbedingungen auf dem Kapitalmarkt.
27 Climate Tech’s Dangerous Trek Across the ‘Valley of Death’ (Bloomberg) https://www.bloomberg.com/news/articles/2024-07-03/climate-tech-s-dangerous-trek-across-the-valley-of-death
Investitionen, Kredite und Versicherungsdienstleistungen für Projekte und Firmen, die neue Infrastruktur für fossile Energien fördern, sind wirtschaftlich unattraktiv oder verboten.
Finanzinstitute müssen gesetzlich verpflichtet werden, Transitionspläne für die Dekarbonisierung vorzulegen. Diese sollen wissenschaftsbasierte Klimaziele, ausgerichtet an den Zielen des Pariser Klimaabkommens inklusive Scope-3-Emissionen, und darauf abgestimmte, messbare Zwischenziele und Massnahmen zu deren Erreichung enthalten.
Um Transparenz innerhalb des Finanzsektors und für die Öffentlichkeit zu schaffen, sollen bestehende Schweizer Buchhaltungsstandards (z.B. Swiss GAAP FER) unter Berücksichtigung aller Bereiche (Scope 1-3) auf die Dokumentierung von CO2-Emissionen ausgeweitet werden. Diese Erweiterung ist ausserdem ein Kriterium für die Aufnahme in die Schweizer Börse. Die Teilnahme an den zweijährlichen Klimaverträglichkeitstests des BAFU ist für alle Finanzinstitute, inklusive Nationalbank, verbindlich. Das BAFU darf zudem die individuellen Testresultate veröffentlichen.
Wichtig ist eine gezielte Lenkung von Kapital in klimafreundliche Sektoren oder Unternehmen, welche für die Transition der gesamten Wirtschaft zu einer CO2-neutralen Wirtschaft notwendig sind: Dies kann unter anderem mittels einer grünen Investitionsbank erfolgen, welche die Mittel für grüne Investitionen und Kredite für Firmen und Projekte bereitstellen kann und Risikoaufschläge bei den Zinsen verhindern soll.Die öffentliche Hand nimmt eine Vorreiterrolle ein, indem sie insbesondere staatliche Unternehmen dazu verpflichtet, bei ihren (Auslands-)Investitionen klare und strenge Nachhaltigkeitsstandards einzuhalten. Negativlisten von Unternehmen sind für Investitionen aller staatlichen Institutionen ausgearbeitet und werden regelmässig auf aktualisierte Kriterien überprüft, auf den gesamten Bereich der Nachhaltigkeit ausgeweitet und für verpflichtend erklärt. Bilaterale Investitionsschutzabkommen als wichtigstes Instrument zum Schutz von Direktinvestitionen im Ausland werden auf nachhaltige und klimafreundliche Investitionen beschränkt.
28 https://climatestrike.ch/posts/cap-1-cross-sectoral-policies#policy-measures_policy-1-9-climate-bank-climate-agencies
Treuhänderische Pflichten müssen auf die Klimawirkung ausgeweitet werden. Das explizite Umschreiben von Gesetzestexten ist notwendig, damit institutionelle Investoren ihre Treuepflichten mit Rechtssicherheit ausüben können.
Als Teil einer Bildungs- und Weiterbildungsoffensive sollen Unternehmen im Schweizer Finanzsektor verpflichtet sein, bis 2030 sämtliche Beschäftigten zum Thema Klimarisiken weiterzubilden.
Investoren und Asset-Manager setzen im Rahmen von Active Ownership mit einer öffentlich einsehbaren Eskalationsstrategie ihr Gewicht als Finanzierer gegenüber den Unternehmen ein, welche die grösste Verantwortung für die weltweiten Treibhausgasemissionen haben.
Die ärmsten Länder haben am wenigsten zur Klimaerhitzung beigetragen, sind von deren negativen Auswirkungen jedoch am stärksten betroffen und verfügen über die geringsten finanziellen Möglichkeiten, um sich an die veränderten Bedingungen anzupassen. Ihre Kosten zur Anpassung an den Klimawandel und zur Deckung von Schäden und Verlusten werden deshalb massgeblich von den verursachenden Staaten, zu denen auch die Schweiz gehört, und Unternehmen übernommen.
Die Länder können sich damit klimafreundlich weiterentwickeln und dabei eine erneuerbare Energieversorgung für ihre Bevölkerung und Wirtschaft aufbauen. Die Transformation zum Schutz des Klimas geht dabei Hand in Hand mit nachhaltiger Entwicklung. Denn die Armutsbekämpfung verringert indirekt die Verletzlichkeit von Menschen gegenüber negativen Auswirkungen der Klimaerwärmung, da in allen Ländern die ärmsten Menschen am wenigsten Spielraum haben, um sich vor Hitze, zu viel oder zu wenig Wasser etc. zu schützen. Klimagerechtigkeit bedingt daher auch eine Verringerung der globalen Ungleichheit.
Eine Verpflichtung für die Industriestaaten zur finanziellen Unterstützung der Entwicklungsländer ist im Pariser Abkommen festgeschrieben. Deren Höhe wird im Rahmen von mehrjährigen Finanzierungszielen im UNO-Klimaprozess verhandelt. Gemäss Rahmenkonvention soll sich der Beitrag der einzelnen Industrieländer an ihrer “gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten, ihren jeweiligen Fähigkeiten sowie an ihrer sozialen und wirtschaftlichen Lage” orientieren. Die Schweiz folgt dieser internationalen Verpflichtung und plant einen angemessenen finanziellen Beitrag zur weltweiten Transformation in ihren Staatshaushalt ein und stellt die Finanzierung langfristig sicher.
Die Finanzierungslücke in den ärmeren Ländern wächst von Jahr zu Jahr und bremst die Transformation.
Kaum ein Land kann sich marktübliche Kredite mit hohen Zinsen leisten, aber dennoch sind diese weit verbreitet in der internationalen Klimafinanzierung. International wird ein zu geringer Anteil der Finanzierung als Zuschüsse gewährt.
Das aktuelle internationale Finanzierungsziel von 100 Milliarden Dollar pro Jahr wird v.a. dank Buchhaltungstricks erreicht und kann die Finanzierungslücke nicht schliessen. Auch die Schweiz kommt ihrer Verantwortung nicht nach, ihren fairen Anteil zu leisten und ärmere Länder bei der Verminderung, Anpassung und Deckung von Schäden und Verlusten finanziell angemessen zu unterstützen.
Die Schuldenkrise im Globalen Süden verunmöglicht vielen ärmeren Ländern, ihre eigene Transformation zu finanzieren. Die Zinsen für ihre Staatsanleihen sind massiv höher als bei reichen Ländern.
Die Schuldenkrise im Globalen Süden verstärkt in vielen Ländern die Abhängigkeit von der Förderung fossiler Energieträger. Denn zur Tilgung ihrer Schulden sind die Länder auf ausländische Devisen angewiesen, die sie bisher nur aus dem Rohstoffexport generieren können. Solange diese Länder ihre wirtschaftlichen Aktivitäten nicht diversifizieren können, verhindert diese Abhängigkeit die Transformation.
Private Klimafinanzierung fliesst nur dort, wo eine Rendite zu erwarten ist und die Risiken als nicht zu gross eingeschätzt werden, d.h. vor allem für Investitionen im Bereich erneuerbarer Energieträger in Länder mittleren bis hohen Einkommens, aber weder für Anpassungsprojekte noch die Deckung von Schäden und Verlusten und kaum für die ärmsten Länder.
Private Investitionen aus dem Ausland führen in Ländern des Globalen Südens wegen Gewinnrückführungen zum Abfluss von Devisen, was ihre Verschuldungssituation verschlechtern kann.
Zur Mobilisierung von privaten Mitteln für die Klimafinanzierung braucht es ebenfalls öffentliche Mittel (z.B. zur Risikoverminderung), die in Konkurrenz zur öffentlichen Klimafinanzierung mit Zuschüssen stehen.
Die Schweiz wendet eine sehr strenge Schuldenbremse an. Deshalb werden jedes Jahr harte Budgetverhandlungen geführt. Dabei haben Ausgaben, die eher indirekt der Schweiz nützen, oft weniger Priorität als Ausgaben, welche Anspruchsgruppen in der Schweiz direkt zugutekommen. Die Klimafinanzierung nützt der Schweiz indirekt z.B. durch die Vermeidung von zusätzlichen Konfliktherden und Fluchtgründen im Globalen Süden, aber sie ist für niemanden in der Schweiz direkt nutzbar wie z.B. Beiträge an Wärmepumpen oder Solaranlagen. Das ist eine innenpolitische Hürde für den Bundesrat, weswegen er den “fairen Anteil” der Schweiz am 100 Milliarden-Ziel zu tief angesetzt und diesen grösstenteils auf Kosten anderer Schwerpunkte aus dem bestehenden Budget der internationalen Zusammenarbeit nimmt, anstatt zusätzliche Mittel dafür zu sprechen, wie die Klimarahmenkonvention dies erfordern würde.
Ein neues Gesetz für die internationale Klimafinanzierung zur Umsetzung des internationalen Finanzierungsziels nach 2025 ist eingeführt: a) Definition des fairen Anteils der Schweiz als mind. 1% gemäss ihrer Wirtschaftsleistung (BIP-Anteil der Geberländer) und historischer Verantwortung (Klimafussabdruck inkl. Import und Mitverantwortung für Finanz- und Rohstoffhandelsplatz); b) Beteiligung von mind. 1% an Auffüllung des UNO-Fonds für Schäden und Verluste; c) der Einsatz der Mittel an Institutionen, Fonds und Programmen zur Finanzierung von Massnahmen in Zielländern wird jährlich öffentlich ausgewiesen; d) Beiträge nicht auf Kosten anderer Ziele der internationalen Zusammenarbeit wie z.B. Bildung oder Gesundheit; e) neue, zusätzliche Mittel durch verursachergerechte Finanzierungsquellen (siehe Kapitel Finanzierung).
Die Schweiz führt zusätzlich eine Verpflichtung ein für Schweizer Unternehmen mit hoher historischer Klimaverantwortung, einen fairen Beitrag an den Fonds für Schäden und Verluste im Globalen Süden zu leisten.
Die Schweiz setzt sich für die Linderung der Schuldenkrise ein. Sie ist keine grosse Gläubigerin im Globalen Süden, muss aber dafür sorgen, dass private Gläubiger mit Sitz in der Schweiz an Entschuldungsverfahren teilnehmen.
Wie an der Klimakonferenz 2021 in Glasgow versprochen, leistet die Schweiz keine weitere Staatshilfe für fossile Energieprojekte im Ausland mehr (Glasgow Statement).
Gemäss IPCC sind die nächsten 10 Jahre entscheidend, um sich an den Klimawandel anzupassen. Die Schweiz hat das erkannt und packt die Chance. Sie hat die Umsetzungsgeschwindigkeit der Anpassungsmassnahmen deutlich erhöht, damit die Schere zur aktuellen Geschwindigkeit des Klimawandels, resp. die Anpassungslücke, nicht grösser, sondern kleiner wird.
Das rasche Vorgehen der Schweiz ist relevant. Sowohl Treibhausgasemissionsreduktionen wie auch die Anpassung an den Klimawandel können die Folgen und Risiken des Klimawandels reduzieren. Je weniger in Mitigation investiert wird, desto mehr muss in die Anpassung investiert werden, um die Risiken auf ein tolerables Mass zu senken. Unsere Vision und gemeinsames Ziel sind letztlich eine nachhaltige und klima-resiliente Entwicklung. Damit können erhebliche sogenannte Co-Benefits erzielt werden, auch in Bereichen, die über das Klima hinausführen.
Die Klimaanpassung muss berücksichtigen, dass sich ab 1.5°C Erwärmung die Risiken multiplizieren (d.h. sie nehmen nicht einfach linear zu). Ab 2°C Erwärmung werden viele Anpassungsmassnahmen ineffektiv oder sogar unmöglich. Die Risiken werden zudem zunehmend komplexer und vernetzter. Viele systemische Risiken sind ausserdem noch unvollständig verstanden.
Global und auch in der Schweiz wurden bislang vor allem inkrementelle Anpassungsmassnahmen geplant und implementiert. Dies sind Massnahmen, die nicht die zugrundeliegenden Strukturen oder Systeme verändern, sondern nur im existierenden System vorwiegend punktuell ansetzen.
Die Klimaanpassung ist ein sehr transversaler Prozess und kann deshalb nicht einfach nur sektoriell angegangen werden. Entsprechend ist die vorwiegend sektoriell strukturierte Verwaltung auf Ebene Bund, Kanton und Gemeinde eine wichtige Hürde für erfolgreiche Anpassung.
Individuen, Gesellschaft und Politik haben meist Mühe, sich das ‘Unvorstellbare’ vorzustellen. D.h. es ist schwierig, ein Bewusstsein aufzubauen für Entwicklungen oder Ereignisse, die klar ausserhalb des Erfahrungshorizontes liegen.
Kostenabschätzungen für die Klimaanpassung sind heute sehr grob und unsicher. Für die Schweiz muss sicherlich von Kosten in Milliardenhöhe (CHF) ausgegangen werden, und die Höhe dieser Kosten bedeutet auch für die finanzstarke Schweiz eine wichtige Hürde.
Einerseits ist das Mainstreaming der Anpassung in die einzelnen Politik- und Wirtschaftsbereiche immer noch mangelhaft. Andererseits laufen viele Bemühungen in der Schweiz immer noch auf Stufe Pilotprojekte. U.a. der letzte IPCC-Bericht hat klar aufgezeigt, dass eine Verstärkung der Anpassung jetzt von hoher Priorität sein muss.
Die Folgen des Klimawandels können auch zu einem Anstieg von systemischen Risiken führen, und zwar nicht nur linear, sondern der Klimawandel kann auch zum Überschreiten von Kipppunkten bei systemischen Risiken (die national oder international sein können) führen, die abrupt sehr grosse Risiken (oder entsprechende Katastrophen) auslösen können. Möglicherweise sehen wir das aktuell im Amazonas. Auch in der Schweiz ist das Wissen dazu unzureichend, was eine wichtige Hürde für effektive Massnahmen bedeutet.
Das Kapitel “Finanzielle Auswirkungen und Finanzierung” zeigt auf, wie die Mittel für die Klimaanpassung in der Schweiz generiert werden sollen. Diese nationalen Mittel eröffnen dem Bund zusätzliche Möglichkeiten, Anpassungsmassnahmen auf kantonaler und kommunaler Ebene zu unterstützen. Deshalb sind die folgenden Kriterien und Handlungsfelder besonders zu beachten:
Die Klimaanpassung wird nachhaltig auf Wohlbefinden, Gesundheit und Sicherheit der Schweizer Bevölkerung ausgerichtet und die sozialen Ungerechtigkeiten sollen mit Anpassungsmassnahmen nicht vergrössert, sondern vermieden oder reduziert werden können.
Mit den Massnahmen der Klimaanpassung wird versucht, möglichst viele Co-Benefits zu erreichen, etwa im Bereich der Biodiversität, des Klimaschutzes und generell im Bereich der nachhaltigen Entwicklung. Transversale und sektorübergreifende Massnahmen sind deshalb wo möglich zu priorisieren.
Ein wichtiger Bereich der Klimaanpassung betrifft die Stadt- und Raumplanung: Konzepte der Schwammstadt sind konsequent umzusetzen. Diese sind sowohl effektiv gegen Hitze und Starkniederschläge und verbessern zudem die Lebensqualität (im Moment laufen diese Bemühungen erst auf Pilotstufe und bei einigen neuen Bauten von Siedlungsteilen; die Kosten für eine breitere Umsetzung bei bestehenden Bauten sind jedoch enorm – sicherlich im Milliarden-Bereich).
Internationale Lieferketten müssen untersucht und wichtige Risiken identifiziert werden und entsprechende Risikopräventionsmassnahmen ergriffen werden (insbesondere auch im Bereich systemische und kumulierte Risiken).
Die klimabedingte Migration wird mit zunehmendem Klimawandel und mit entsprechenden Folgen für die Bewohnbarkeit in verschiedenen Regionen der Welt steigen. Dies wird auch spürbare Folgen für die Schweiz haben. Die Schweiz muss diese Folgen vertieft untersuchen, ihre Strukturen, Gesetzeslage etc. anpassen und sich international für gerechte Lösungen einsetzen.
29 ‘Human Mobility in the context of Climate Change’ (HMCCC)
Wasserressourcen: die Schweiz strebt ein integrales Wassermanagement an, das einen Ausgleich zwischen (saisonalem) Wasserangebot und Wassernachfrage der verschiedenen Sektoren (Energieproduktion, Landwirtschaft, Tourismus, Industrie, Haushalte u.a.) schafft, die Erhaltung und Stärkung der Biodiversität sicherstellt und robust ist sowohl gegenüber Wasserknappheit als auch gegenüber Hochwasser.
Obschon viele Dekarbonisierungsmassnahmen sich selbst über die Lebensdauer zurückzahlen oder gar Gewinne abwerfen, spielen zusätzliche Finanzmittel und Lastenumteilung eine zunehmende Rolle. Die mehr als 30 verlorenen Jahre seit dem ersten IPCC-Bericht im Jahre 1990 bedeuten, dass eine stark beschleunigte Dekarbonisierung nötig wird, für welche Infrastrukturen, Geräte und Fahrzeuge vorzeitig ersetzt werden müssen (stranded assets). Damit verbunden sind auch teilweise teure Anpassungsmassnahmen, um Schäden und Verluste zu minimieren. Wo Anpassungen bereits nicht mehr ausreichen, müssen Schäden und Verluste – soweit überhaupt möglich – monetär abgemildert werden. In der Schweiz und weltweit. Wie im Teil I zum verbleibenden CO2-Budget dargelegt wurde, hat die Schweiz hier eine grosse Verantwortung, und auch teure Massnahmen zum Entzug von CO2 aus der Atmosphäre erscheinen heute als nötig.
Um diese erheblichen Kosten decken zu können, schlagen wir Abgaben auf direkte und graue Treibhausgasemissionen vor. Zudem sind Flugticketabgaben eingeplant.
All diese Abgaben, aber auch die vielen nötigen Instrumente selbst können bereits benachteiligte Personen zusätzlich einschränken oder neue Härtefälle verursachen. Statt wie bei der vollständigen Rückverteilung der Lenkungsabgabe mehr als die Hälfte der Bevölkerung netto profitieren zu lassen, schlagen wir vor, analog zur EU einen Klimasozialfonds einzurichten, welcher gezielt besonders betroffene Personen unterstützt.
Auf der Ausgabeseite lassen sich folgende Grössenordnungen pro Jahr abschätzen:
9 Milliarden Franken, das ist der Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung der Schweiz (1% Anteil von einem 1’000 Milliarden USD/a-Ziel)
je 1 Milliarden Franken für Anpassungsmassnahmen und Verluste und Schäden in der Schweiz
5 Milliarden Franken für CO2-Entfernung
30 Je nach Klimagerechtigkeitsansatz und Erfolg bei der raschen Dekarbonisierung sind die Mengen gross oder sehr gross. Die Kosten variieren heute von 50 bis 1000 Fr./t und reifere und skalierte Technologien könnten Kostenreduktionen bringen. Deshalb wird angenommen, dass die CO2-Entfernung über viele Dekaden verteilt wird und finanziert werden muss.
5 Milliarden Franken für rasche Dekarbonisierung in der Schweiz
31 R. Nordmann, Klimaschutz und Energiesicherheit, Zytglogge Verlag 2023
10% der Abgaben für den Klimasozialfonds
Dies ergibt ein Total von gut 20 Milliarden Franken pro Jahr.
Die jährlichen inländischen Emissionen plus graue Emissionen betrugen in den letzten Jahren über 100 Millionen Tonnen pro Jahr. Bei aktuell geschätzten Klimaschadenskosten von 430 Franken pro Tonne CO2 ergibt dies Einnahmen von rund 40 Milliarden Franken pro Jahr. Da die Abgabe auf Flugtreibstoffe an rechtlichen Hindernissen scheitern könnte, generiert eine Flugticketabgabe die entsprechenden Einkünfte. Im Gegensatz zu den Ausgaben ist davon auszugehen, respektive zu hoffen, dass diese Einnahmen wegen der starken Dekarbonisierung bis 2040 stark zurückgehen, auf z.B. 10 Milliarden Franken pro Jahr.
32 https://www.are.admin.ch/dam/are/de/dokumente/verkehr/dokumente/bericht/GKV21_SB_final.pdf.download.pdf/GKV21_SB_final.pdf
Wird die Abgabe sofort eingeführt, dürfte sich ein entsprechender Klimafonds bis 2040 selbst finanzieren. Für die Zeit danach sind zusätzliche Quellen zu erschliessen, wobei aus Gründen der Generationengerechtigkeit die Äufnung eines Klimazukunftsfonds schon heute gestartet werden muss und die Profiteure der Fossilenergiewirtschaft zur Kasse gebeten werden müssen.
Ist Klimaschutz also primär teuer? Nein, der bisher und künftig nicht getätigte Klimaschutz ist teuer. Da als Einnahmequellen primär verursachergerechte Abgaben in Höhe der Klimaschadenskosten vorgesehen sind, wird bis 2040 nicht mehr Geld aufgewendet, als an Klimaschäden vermieden wird. Das lohnt sich also. In einem Forschungspapier des Potsdam Instituts für Klimaforschung werden die weltweiten Klimaschäden auf 19 bis 59 Billionen USD bis 2050 geschätzt, wobei nur abschätzbare Kosten berücksichtigt wurden. Einen Teil dieser Schäden noch abwenden zu können, wäre ein Gewinn, auch wenn hierzu erhebliche Investitionen nötig sind.
33 https://www.nature.com/articles/s41586-024-07219-0
Bereits 2006 und 2016 hat die Klima-Allianz einen Klima-Masterplan vorgelegt und beschrieben, wie die Schweiz ihren Beitrag leisten kann, um die Klimakrise abzuwenden. Dieser dritte Plan zeigt dies erneut nüchtern auf. Doch die Dringlichkeit, beim Klimaschutz endlich mit grossen Schritten vorwärtszugehen, hat sich nochmals erhöht. Das macht die Herausforderung riesig.
Weltweit sind die Treibhausgasemissionen gestiegen statt gesunken und die Emissionsreduktionen in der Schweiz liegen weit über dem 2016 gezeichneten Absenkpfad – auch weil die 2006 und 2016 von der Klima-Allianz empfohlenen Politikinstrumente nur lückenhaft und unzureichend umgesetzt wurden. Die Welt erhitzt sich schneller als erwartet und die heftigen Auswirkungen dieser Entwicklung bestätigen die pessimistischen/pessimistischsten Szenarien. Die Klimakrise manifestiert sich zunehmend und es ist augenfällig, wie unangemessen und ungenügend die bisherigen Massnahmen zur Krisenbewältigung sind.
Der Klima-Masterplan richtet sich an politische Entscheidungsträger:innen. Statt nun weitere Jahre über die Frage zu diskutieren, wie wir die Transformation voranbringen können, müssen wir ins Handeln kommen. Bundesrat, Parlament sowie die kantonalen und kommunalen Exekutiven und Legislativen sind in der Pflicht, Verantwortung zu übernehmen. Sie schulden dies den Bürger:innen, die immer härter betroffen sein werden, wenn die Wende nicht gelingt.
Wir fordern von der Politik, die hier skizzierten neuen Spielregeln jetzt einzuführen. Dies mit kühlem Kopf, aber im Wissen, dass die Welt in den Krisenmanagementmodus gehen muss. Dabei ist zentral, dass die Bevölkerung sensibilisiert und mitgenommen wird. Dafür braucht es gutes Zuhören, Information, Engagement und glaubwürdiges Leadership.
Ob eine Transformationsgesetzgebung mehrheitsfähig wird, entscheidet aber nicht nur die Politik, sondern alle in der Schweiz lebenden Menschen, sei es als Firmeninhaber:in, Manager:in, Mitarbeiter:in, Konsument:in oder ganz einfach als Mitglied der Zivilgesellschaft. Wir sind alle gefordert, den Weg des Weiter-wie- bisher zu verlassen und uns für eine lebenswerte Welt einzusetzen.